piwik no script img

Präsidentschaftswahl in AlgerienDie Karotten sind gekocht

Zum vierten Mal tritt der 77-jährige Abdelaziz Bouteflika als Präsidentschaftskandidat in Algerien an. Der Staatsapparat und die Armee stehen hinter ihm.

Mit 77 Jahren, da fängt das Leben an: Abdelaziz Bouteflika unterschreibt seine offizielle Kandidatur. Bild: dpa

MADRID taz | Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika kandidiert erneut. Der 77-Jährige strebt bei den Wahlen am 17. April eine vierte fünfjährige Amtszeit an. Neun weitere Kandidaten wollen Bouteflika das Amt streitig machen.

Obwohl der Staatschef im vergangenen Jahr nach einem Schlaganfall für 80 Tage in einem Pariser Hospital lag und seither im Rollstuhl sitzt, zweifelt niemand an seinem erneuten Sieg. Die beiden Regierungsparteien, die Einheitspartei Front der Nationalen Befreiung (FLN) und deren Abspaltung Nationale Demokratische Versammlung (RND), stehen wie ein Großteil des Staatsapparates und der übermächtigen Armee hinter dem Veteranen.

Unter den neun Gegenkandidaten sind nur wenige wirklich bekannte Namen. Einer von ihnen ist der ehemalige Regierungschef Ali Benflis. Er stammt aus der FLN. Allerdings genießt er nicht die Unterstützung seiner Partei, seit er sich vor zehn Jahren mit Bouteflika überwarf. Die einzige wirklich oppositionelle Kandidatin ist Louisa Hanoune von der Algerischen Arbeiterpartei. Die Trotzkistin ist bekannt und beliebt, steht aber auf verlorenem Posten.

Der Überraschungskandidat, der Schriftsteller Mohammed Moulessehoul, bekannt unter dem Pseudonym Yasmina Khadra, erschien erst gar nicht vor dem Verfassungsrat. Er hatte wohl die nötigen 60.000 Unterschriften für eine Kandidatur nicht zusammenbekommen.

Boykott der Islamisten

Die Islamisten verzichteten auf einen eigenen Kandidaten. Die Bewegung der Gesellschaft für den Frieden (MSP) und die Ennahda (Erneuerung) rufen stattdessen zum Boykott auf. Ein weiterer ehemaliger Regierungschef der FLN, Ahmed Benbitour, zog seine Kandidatur zurück. „In Wirklichkeit sind die Urnen nur eine Attrappe und eine legalisierte Piraterie. Einmal mehr haben die Kräfte des Betrugs die Oberhand über die Argumente gewonnen“, erklärte er.

Ein ehemaliger Admiral, Mohand Tahar Yalatat, tut es Benbitour gleich. Er redet von „einem mafiösen Clan, der das Land als Geisel genommen hat“, und fordert den Abbruch des Wahlprozesses sowie eine zweijährige Übergangsperiode hin zu einer wahren Demokratie. Dazu schlägt er die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vor.

Auch die Presse greift das allgemeine Unbehagen auf. Die Tageszeitung Liberté fragt nach dem Namen des Arztes, der Bouteflika „das Sesam-öffne-dich“ in die Hand gegeben habe. Damit gemeint ist das ärztliche Attest, das jeder Kandidat braucht, um seine Fähigkeit zu belegen, das Amt für fünf Jahre auszuführen. Bouteflika ist seit einer Ansprache im Jahre 2012 nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Auch jetzt, als er die Unterlagen für seine Kandidatur einreichte, waren nur wenige Bilder im Fernsehen zu sehen. Und seine Stimme war kaum zu hören.

Wahlkampfthema Stabilität

„Die Karotten sind alle gekocht“, erklärte der algerische Politikwissenschaftler Rachid Grim vor der Presse. „Er kandidiert, und er ist gewählt“, fügte er hinzu. Grim glaubt, dass Bouteflika seine Kandidatur ganz unter das Motto der „Stabilität“ stellen wird. Algerien versank nach dem Versuch einer Öffnung Ende der 1980er Jahre in einen blutigen Bürgerkrieg zwischen Islamisten und Armee, der 200.000 Menschen das Leben kostete. Nur wenige Algerier verspüren Lust auf einen eigenen Arabischen Frühling. Zumal die Ereignisse in Ägypten alte Ängste wach werden lassen.

So demonstrierten am Samstag nur rund 100 Menschen vor der Universität im Zentrum Algiers gegen die Kandidatur Bouteflikas. „15 Jahre sind genug“, riefen sie immer wieder, bevor die Polizei kam und Dutzende Teilnehmer festnahm.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ihre Liebe zur deutschen Sprache oder den Eigenheiten einer Sprache überhaupt, in Ehren - aber es ist doch gerade eine solche Übersetzung, die uns die andere Sprache näher bringt. Durch die bedingungslose "Verdeutschung" solcher Redewendungen kann im Zweifelsfalle die Feinheit des Ausdrucks mehr leiden.

    Und es bleibt doch wohl fürwahr genügend Platz für schöne Deutsche Beiträge in deutscher Ursprungssprache. Oder befürchten Sie hier auch eine Sprach- Überfremdung?

  • M
    Marianne

    Ich habe nur etwas gegen die besonders in Deutschland grassierende Mode, alle möglichen und unmöglichen Ausdrücke, Redewendungen und sogar grammatikalische Eigenheiten anderer Sprachen ins die deutsche Sprache eingliedern zu wollen und damit nach und nach die ursprünglichen Entsprechungen zu verdrängen. Das ist kein starrer Sprachpurismus, sondern einfach Traurigkeit darüber, dass auf diese Weise das Deutsche so verwässert wird. Es ist doch gerade das Schöne, dass jede Sprache ihre eigenen Ausdrücke und Regeln besitzt. Und wie Sie selbst sagten: Ausdrücke und Redewendungen bieten zum Teil auch einen Einblick in das Denken einer Sprechergemeinschaft - derartige Rückschlüsse werden aber nicht länger möglich sein, wenn man nach und nach alle Sprachen zu einem Einheitsbrei zusammenmischt. Als Dolmetscherin liebe ich Fremdsprachen in ihrer ganzen Vielfalt und Eigenheit, aber genauso liebe ich das Deutsche und möchte dessen Eigenheiten erhalten.

  • M
    Marianne

    Stümperhafter Journalismus! Wenn es einem Journalisten nicht mal mehr in den Sinn kommt, Redewendungen aus anderen Sprachen nicht einfach Wort für Wort zu übersetzen, sondern deren Sinnentsprechung in der Zielsprache zu suchen (siehe Überschrift "Die Karotten sind gekocht", unsinnige Direktübersetzung von "les carottes sont cuites"), dann braucht man den Rest des Artikels auch nicht mehr zu lesen, denn es ist eindeutig ein Stümper am Werk! Was glauben Sie eigentlich, weshalb es den Berufsstand "Übersetzer" gibt, und dieser für qualitativ hochwertige Arbeit mit einem Hochschulstudium verbunden ist?? Man kann Redewendungen und sprachliche Bilder nicht einfach wörtlich übersetzen!

    Leider passiert dies zunehmend in der deutschen Medienlandschaft, und zwar besonders gerne, wenn die Originalaussage im Englischen getroffen wurde. So stößt man dann auf ominöse "rote Linien" und "schlüpfrige Hänge", die im Deutschen eigentlich nichts zu suchen haben.

     

    Zum Schluss natürlich gerne noch des Rätsels Lösung - der Titel müsste heißen "Die Würfel sind gefallen" oder "Die Sache ist gelaufen".

    • @Marianne:

      Was haben Sie gegen die Redewendung: Die Karotten sind gekocht? Eher ein "der Drops ist gelutscht", finde ich, wenn Sie schon ein Entsprechung im Deutschen suchen. Also ich finde es interessant, über diese Art der wörtlichen Übersetzung einen kleinen Einblick in die Denkweise anderer Kulturen zu erhalten. Mensch kanns auch übertreiben mit der korrekten Sprache. Der Artikel ist trotzdem nicht substanzlos.