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Kommentar EU-Beitritt der TürkeiChance oder Blabla

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die EU verhandelt mit der Türkei über einen Betritt. Für die demokratische Bewegung ist das eine Chance. Aber auch die EU muss klären, was sie will.

Dauerbrenner: Angela Merkel bei einem Türkeibesuch 2006. Bild: dpa

N ach drei Jahren Pause soll der Stillstand zwischen der Türkei und der EU jetzt beendet werden. Man sollte daraus keine allzu großen Erwartungen ableiten, denn weder ist in dieser Zeit innerhalb der EU geklärt worden, ob die Mehrheit der Mitglieder einen Beitritt der Türkei nun wirklich will, noch hat sich die türkische Regierung definitiv entschieden, ihre Nahost-Orientierung zu modifizieren und zum Westen zurückzukehren.

Immerhin ist auf beiden Seiten die Bereitschaft gestiegen, zumindest den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Für die türkische außerparlamentarische Opposition ist das erst einmal eine gute Nachricht, zumal die EU-Kommission in ihrem Fortschrittsbericht sich ausdrücklich darauf bezogen hat, dass sie diese zivilgesellschaftliche Entwicklung begrüßt und unterstützen will.

Je mehr Interesse außerhalb der Türkei an den Auseinandersetzungen im Lande existiert, je genauer die EU-Regierungen, vor allem aber auch die Bürger der EU darauf schauen, wie die türkische Regierung mit der Fortsetzung der Gezi-Bewegung umgeht, je mehr Chancen hat die demokratische Bewegung in der Türkei.

Dazu müssten allerdings zwei Dinge geschehen. Erst einmal müssen innerhalb der EU die Widerstände beseitigt werden, die bislang dazu geführt haben, dass mit der Türkei in den Beitrittsgesprächen über die relevanten Themen wie Bürgerrechte und unabhängige Justiz überhaupt gesprochen wird. Zweitens muss die EU ehrlich klären, ob die Türkei überhaupt eine Chance hat, jemals Mitglied im Club zu werden.

Passiert das nicht, wird bei den Gesprächen erfahrungsgemäß nicht viel herauskommen. Das läuft dann wieder auf die alte Parole hinaus: „Der Weg ist das Ziel“ – und würde letztlich der türkischen Zivilgesellschaft mehr schaden als nützen.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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6 Kommentare

 / 
  • KS
    Kritische Stimme

    Schneller politischer+wirtschaftlicher Aufstieg der Tuerkei unter Erdogan beruhte auf Exporte in Muslimlaender+Westeuropa+seine unabhaengige Aufstellung v/d EU/USA-Politik. Seit er sich aber verbuendet hat m der Achse Israel+EU+USA im Syrienkrieg ,ein Riesenfehler,laeuft alles ganz schlecht fuer ihn.Grosse Bevoelkerungsgruppen wollen keinen Krieg m dem SyrienNachbarn+lehnen die RebellenAusbildungBewaffnungUnterstuetzung entschieden ab.Zugleich nehmen Exporte ab i/d EU (Krise) +arabische Nachbarn (Kriegsgefahr).Auch die politische Stabilitaet kommt in Gefahr weil die Bevoelkerung jetzt viel weniger v/d Erdogan tolleriert.Die Hoffnung auf ein schnelles Ende des Syrienkrieges hat sich auch nicht bewahrheit+der profezeite schnelle Sieg kann sogar in eine Niederlage enden,dann hat Erdogan ein Feind als Nachbarn.Jetzt toeten die von der Tuerkei unterstuetzten Rebellen sogar die syrischen Kurden in grossen Zahlen+die Reaktionen von den tuerkischen+irakischen Kurden lassen sich raten.Der versprochene Koeder,ein Zutritt zur EU ist auch viel weniger interessant geworden seit die wirtschaftliche EU-Krise noch viele Jahre dauern wird.Kurz gesagt Erdogan hat gespielt und verloren genau wie die EU bei allen NatoKriegen

  • Es fehlt noch - mindestens - eine dritte Voraussetzung für einen erfolgreichen Diskurs über die demokratische Entwicklung in der Türkei: Das Ende der Blauäugigkeit im "Westen", mit dem der sog. "Gezi-Prozess" mit der Entwicklung der türkischen Zivilgesellschaft gleich gesetzt wird. Das ein völlig diffus zusammengesetzter, kleiner Teil der türkischen, großstädtischen Wohnbevölkerung unter 25 anhand des städtebaulich und ökologisch vollkommen unbedeutenden Gezi-Parks demonstriert, hat mit den zivilgesellschaftlichen Fortschritten in der Türkei wenig bis nichts zu tun. Lediglich als Anschauungsobjekt belegte das den eigentlichen Umbruch, nämlich das Ausbleiben massiver kemalistischer Gegenwehr bei Erdogan's Armeereform und der Rückkehr islamischer Symbolik in den türkischen öffentlichen Alltag.

  • 7G
    786 (Profil gelöscht)

    Ich finde ja eher, dass es langsam Zeit für eine militärische Intervention ist, um das zu tun, was die eigene Armee dort nicht mehr tun kann: Das Land zu sichern, und Erdoğan abzusägen.

  • H
    Heag

    Wer legt fest, dass es bei Gezi um "Demokratie" oder besser gesagt "Republikanische" Entwürfe geht? Das alleine halte ich schon für Unsinn, denn die Mehrzahl der Leute sind entweder apolitische Ultras, nationalistische Kemalisten gegen die Kurden und Pan-Türkische Nationalisten. Sind die Kemalisten offen für den Westen, sind die Volkstürken dagegen. Gemeinsam sind sie gegen ein amerikanisierten und wirtschaftsliberalisierten Islamismus und Neo-Osmanen Erdogan.

     

    Aus Sicht der EU muss man sich Fragen, was nutzt die Türkei? Was hat Deutschland davon? Herauskommt: Wenig bis nichts, denn die Türkei ist ein Schwellenland mit enormer Abhängigkeit zum Westen, was dessen wirtschaftliche Entwicklung angeht. Rein aus dem Machtaspekt heraus, die Türkei aufzunehmen, kann vielleicht aus Funktionärssicht sinnvoll sein. Aber auch hier ist Deutschland ja nicht mal gleichberechtigt, sondern bezahlt für die Gestaltungsmöglichkeiten der anderen Länder!

     

    Wie heute schon in der Euro-Krise, profitieren auch ganz wenige Deutsche neben vielen aus den anderen Staaten. Die Masse der Deutschen sind aber diejenigen, die diese "UmFAIRteilung" finanzieren und diese verlieren Reallohn durch Kaufkraftsverlust. Solange diese EU-Länder eigentlich autonom bleiben wollen und Europa nur dann ist, wenn Deutschland zahlt, wird man gewiss nicht die normale Mittelschicht gewinnen können, die in Deutschland schon extrem viel mit sich machen lässt. Aber irgendwann hat es auch die gecheckt.

  • Die Chance, die sich nun bietet, ist die, daß dem Mehrheitswillen der EU- Bürger auch Taten der sie vertretenden Politiker folgen. Danach sind die Verhandlungen ohne weitere Verzögerung niederzulegen, denn die Mehrheit möchte überhaupt nicht, daß die Türkei in die EU aufgenommen wird.

     

    Da sich die Lichtgestalten Volksvertreter jedoch einen Dreck um die Meinung des blöden Wahlvolkes scheren, darf getrost angenommen werden, daß diese auch weiterhin geflissentlich ignoriert wird.

     

    Gruß

    Beteigeuze

  • U
    Ursula

    Das Wichtigste fehlt leider im Artikel:

    Die Türkei gehört nicht zu Europa weder geografisch noch historisch oder kulturell. Die große Mehrheit der Europäer ist gegen die Aufnahme in die EU. In Deutschland ist die Ablehnung noch deutlich größer, weil die Aufnahme vor allem Deutschland schaden würde.

    Warum wollen also unsere Eliten (Regierungen, politische Parteien, Medien, Wirtschaft) mit aller Macht diese Aufnahme durchdrücken (oder schönschreiben wie in vielen Artikeln)?

    Haben Journalisten kein Gewissen?