Schwuler Eiskunstläufer über Sotschi: „Ich habe keine Angst“

Kommt zu den Olympischen Spielen, aber mit Regenbogenfahne! Es ist die Chance, sich zu solidarisieren, sagt der russische Eiskunstläufer Konstantin Jablozkij.

Gewagt: 1. Mai in St. Petersburg. Bild: ap

taz: Herr Jablozkij, im Westen wird vermehrt die Frage eines Boykotts der Olympischen Spiele in Sotschi diskutiert. Wie sehen Sie und Ihre KollegInnen das?

Konstantin Jablozkij: Unsere Organisation, „Die Föderation des LGBT-Sports (Sportverband der Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen, Anm. d. Redaktion) Russlands“ lehnt einen Boykott der Olympischen Spiele in Sotschi strikt ab. Bereits zwei Mal sind die Olympischen Spiele boykottiert worden: die Sommerspiele 1980 in Moskau und die Sommerspiele 1984 in Los Angeles.

Sportlern, die ihr gesamtes Leben trainiert haben, um an Olympischen Spielen teilzunehmen, wurde damit die Teilnahme verwehrt. Diese Boykotte haben Sportlerschicksale zerstört, denn der Konflikt wurde nur auf dem Rücken der Sportler ausgetragen. Die aber sind für die jeweilige Gesetzgebung überhaupt nicht verantwortlich.

Und was schlagen Sie vor, wenn Sie gegen einen Boykott sind?

Ich bitte, alle nach Sotschi zu kommen und dort Solidarität mit der russischen LGBT-Bewegung zu zeigen, Regenbogensticker zu tragen und Regenbogenflaggen. Und die Sportler sollen sich beim Einzug der Mannschaften an den Händen halten, um ihrer Solidarität mit der russischen Homosexuellenbewegung Ausdruck zu verleihen. Freundschaft und Frieden sind doch olympische Werte. Und wenn sich diese Werte bei Olympischen Spielen nicht umsetzen lassen, ist die olympische Bewegung am Ende.

Ist es nicht etwas naiv, zu erwarten, dass Sportler aus aller Welt nach Sotschi kommen und sich dann an den Händen halten werden?

ist Chemielehrer, Eiskunstläufer und Vorsitzender der „Föderation des LGBT-Sports Russlands“ und lebt in Moskau. Bei den „World Outgames“ führte er die russische Sportlerdelegation an.

Die Aktion „Hand in Hand“ war nicht meine Idee. Wir LGBT-Sportler aus Russland sind gut vernetzt mit LGBT-Sportlern aus anderen Ländern. Bei jedem großen Sportereignis findet parallel ein „Pride House“ von schwulen und lesbischen Sportlern statt. Dies war bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London der Fall, bei den Winterspielen in Vancouver 2010, und es wird auch bei der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien ein Pride House organisiert. Und bei diesen internationalen Kontakten entstand die Idee, in Sotschi mit der Aktion „Hand in Hand“ für Solidarität mit der russischen LGBT-Community zu werben.

Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass Sportler in Sotschi bei „Hand in Hand“ mitmachen werden?

Sportler sind Volksdiplomaten, davon bin ich fest überzeugt. Als ich kürzlich bei einem Empfang in der amerikanischen Botschaft war, wo ich mit Sportlern vor allem aus den USA und Russland reden konnte, habe ich viel Zuspruch erfahren. Allerdings nur von westlichen Sportlern und Sportlerinnen. Die russischen, die ich um Teilnahme gebeten habe, haben dies höflich abgelehnt.

Aber selbst wenn sich einige Sportler an den Händen halten werden, halten Sie diese Aktion wirklich für so außergewöhnlich, dass sie große Beachtung finden wird?

Mit Sicherheit. Wenn sich Sportler bei der Eröffnungszeremonie in Sotschi an den Händen halten, die Hände dann gemeinsam hochhalten, dann wird dies vor laufenden Kameras, vor der Weltöffentlichkeit, geschehen. Und dies wird sehr viele Diskussionen auslösen und sehr viele Menschen zum Nachdenken zwingen. Da bin ich mir sicher.

Wurden Sie schon mal Opfer von Gewalt?

Nein, bis jetzt nicht.

Haben Sie nicht Angst, dass Sie wegen solcher Aufrufe künftig Probleme mit den Behörden bekommen könnten?

Nein, ich habe absolut keine Angst. Wir machen nichts, was dazu führen könnte, dass man uns etwas verbietet. Wir, also LGBT-Russland, sind ein eingetragener Verein, und der Staat hat unsere Satzung genehmigt. Wir machen nichts Verbotenes. Wir werden in Sotschi auch keine Veranstaltung organisieren, nachdem das geplante „Pride House“ verboten worden ist. Wir bitten nur um Solidarität.

Nicht nur die russischen Behörden drohen mit Sanktionen, auch das Internationale Olympische Komitee will in Sotschi eine Positionierung von Sportlern für die Rechte der russischen LGBT-Community nicht tolerieren. Das Internationale Olympische Komitee hat erklärt, dass es alle Sportler sanktionieren wird, die ihre Solidarität mit der russischen LGBT-Gemeinschaft zeigen werden, hat mit Disqualifizierung dieser Sportler gedroht.

Ich bin mir sicher, dass das Internationale Olympischen Komitee seine Drohung nicht wahrmachen wird. Die Sportler sollen damit lediglich eingeschüchtert werden. Aber wenn das Olympische Komitee die olympische Idee und die olympischen Werte wie Freundschaft und Frieden nicht lebt, braucht die Welt so ein Komitee nicht.

Hat sich die Lage der LGBT-Bewegung in Russland in der jüngsten Zeit verschlechtert?

Ja, sie ist schlechter geworden, mit der Verabschiedung des Gesetzes gegen Homosexuelle haben auch die Überfälle und Morde im ganzen Land gegen Homosexuelle im Land zugenommen. Im ganzen Land werden junge Homosexuelle gejagt und vor laufender Kamera erniedrigt. Anschließend werden diese Filme im Internet veröffentlicht. Diese Bewegung, sie nennt sich „Occupy Pedophilyaj“ hat das Leben einiger Menschen zerstört.

Fürchten Sie eine weitere Eskalation noch vor den Spielen?

Nein, ich denke nicht, dass sich unsere Situation bis zu den Spielen verschlechtern wird, einfach weil das nicht in Putins Interesse ist. Angenommen, die Situation würde sich vor Sotschi noch weiter verschärfen, die Kritik oder auch Hysterie in den Medien noch weiter zunehmen, dann könnte das zum großen internationalen Skandal werden. Und das will Russland nicht. Putin und seine Entourage brauchen den Sport für die Stärkung der nationalen Idee. Es richtet Veranstaltungen wie in Sotschi, die Universiade in Kasan, die Eiskunstlauf-WM 2011, die Fußball-WM 2018 und die Leichtathletik-WM in diesem Sommer aus.

Vor diesem Hintergrund macht die Kampagne gegen Homosexuelle in Russland auch aus Sicht der Machthaber überhaupt keinen Sinn. Da wird alles getan, um das Image von Russland zu verbessern, und gleichzeitig beschädigen die Anti-Gay-Gesetze Russlands Ansehen massiv.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.