Vorwürfe in Pädophilie-Debatte: FDP-Politikerin zieht sich zurück
Erst wurde ihr Artikel über Pädophilie aus den 80er Jahren bekannt. Nun hat die FDP-Kandidatin Dagmar Döring ihre Bundestagskandidatur zurückgezogen.
WIESBADEN afp | Nach Vorwürfen wegen eines Pädophilen-freundlichen Artikels aus den 80er Jahren hat die FDP-Politikerin Dagmar Döring ihre Kandidatur für einen Sitz im Bundestag am Samstag zurückgezogen. Sie lege ihre Kandidatur für den Bundestagswahlkreis Wiesbaden nieder, schrieb Döring in einem von der FDP veröffentlichten Brief an den Kreisvorsitzenden der Partei in Wiesbaden, Florian Rentsch. Sie wolle Schaden von ihrer Familie und der FDP abwenden, schrieb Döring.
Döring veröffentlichte in dem 1980 erschienenen Buch „Pädophilie heute“ einen zweiseitigen Aufsatz, der die damalige Forderung einiger Pädophilie-Gruppen nach Legalisierung sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern unterstützt, wie sie selbst schrieb.
Ihre Sichtweisen und politischen Aktivitäten damals seien aus heutiger Sicht „völlig inakzeptabel“ und „ein großer Fehler“. Sie distanziere sich mit aller Deutlichkeit von allen Schriften und politischen Aktionen aus „diesem früheren Kapitel aus meinem Leben“.
Die damalige Entwicklung sei ihr heute, mehr als 30 Jahre später, „gar nicht mehr im Einzelnen nachvollziehbar“, schrieb Döring. Die Ereignisse jener Zeitspanne habe sie in der Zwischenzeit „völlig verdrängt“. Als Ehefrau und Mutter von drei Kinder seien ihr die „damaligen unreifen Gedanken heute unvorstellbar peinlich“.
Parteienforscher konfrontierte Döring mit altem Artikel
Konfrontiert mit ihrem Artikel wurde Döring eigenen Angaben zufolge von dem Göttinger Parteienforscher Franz Walter. Das von Walter geleitete Institut für Demokratieforschung soll sich mit dem Einfluss von Pädophilen-Gruppen bei den Grünen beschäftigen.
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ, Montagausgabe) berichtete, wollte das Blatt am Montag auf Grundlage der Walter-Recherchen über Döring berichten. Döring habe mit Blick auf die Veröffentlichung ihren Rückzug erklärt. Döring sei nicht nur für die Legalisierung von Pädophile eingetreten, sie habe sich selbst auch sexueller Erfahrungen mit Kindern gebrüstet.
Von 1979 bis mindestens 1982 sei sie zudem „an führender Stelle“ in der Deutschen Studien- und Arbeitsgemeinschaft Pädophilie (DSAP) tätig gewesen. Die DSAP war eine Pädophilenvereinigung. Döring studierte damals in Berlin Philosophie, Theater- und Filmwissenschaften.
Auch Junge Demokraten forderten Änderung des Sexualstrafrechts
Der FAZ zufolge betreffen die bislang nur im Zusammenhang mit den Grünen diskutierten Pädophilie-Vorwürfe die FDP auch über Döring hinaus. Wie die Grünen hätten die damals noch zur FDP gehörenden Deutschen Jungen Demokraten im Jahr 1980 für eine Änderung des Sexualstrafrechts zugunsten Pädophiler votiert.
Auch der damalige FDP-Generalsekretär Günter Verheugen habe persönlich die Revision der entsprechenden Strafrechtsparagraphen 174 und 176 für möglich gehalten. Zu Beschlüssen sei es aber nicht gekommen. Die Jungdemokraten trennten sich 1982 von der FDP, der spätere EU-Kommissar Verheugen wechselte im selben Jahr zur SPD.
Die Pädophilen-Debatte bei den Grünen war durch die Diskussion über umstrittene Äußerungen des Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit in den 70er Jahren in Gang gekommen, der erotische Spiele mit Kindern beschrieben hatte. Cohn-Bendit distanzierte sich inzwischen von diesen Äußerungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland