Rechte Medien-Tarnorganisation: Unter falscher Flagge
NPD-Kader haben einen Verbund gegründet, der Gratisblätter herausgibt. Beobachter fürchten, die Partei könne über den Tarnverein Räume und Gelder erschleichen.
HAMBURG taz | Der Vereinsname klingt harmlos – die Vereinsmitglieder sind es nicht. Führende NPD-Kader haben einen „Thüringer Medienverbund“ gegründet. In Eisenach ist der „Verbund“ bereits beim Amtsgericht im Vereinsregister eingetragen. Aktenzeichen: „VR 932“.
Am 15. November 2012 fand in der Wartburgstadt das Gründungstreffen statt. Jeder der anwesenden neun Männer und eine Frau hat eine Funktion für die NPD auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene. Den Vorsitz des Vereins, der ein gutes halbes Jahr später offiziell eintragen wurde, übernahm Karsten Höhn, Vorstandmitglied des NPD-Kreisverbandes Wartburgkreis und Geschäftsführer der NPD-Stadtratsfraktion in Eisenach. Tobias Kammler, ebenso Landesvorstandsmitglied, wurde Vereinsvize.
Aus den Unterlagen, die der taz vorliegen, geht hervor, dass auch die Parteigranden Frank Schwerdt (NPD-Bundesvize), Patrick Wieschke (NPD-Landesvorsitzender in Thüringen) und Thorsten Heise (Vizelandesvorsitzender Thüringen) Gründungsmitglieder sind.
Seit Jahrzehnten gründen Rechtsextreme immer wieder Vereine, deren Namen und Satzungen die politische Ausrichtung kaum andeuten. „Diese vermeintlich harmlos wirkenden Vereine dienen dazu, Immobilien für Schulungszentren zu erwerben, Netzwerke für die Holocaustleugnung aufzubauen, Staatsmittel einzustreichen oder Publikationen herauszugeben“, sagt Stefan Heerdegen vom Verein „Mobile Beratung in Thüringen: Für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ (Mobit).
Im Impressum von NPD-Regionalzeitungen taucht der „Thüringer Medienverbund“ als Herausgeber auf. Der Vereinsvize Kammler ist bei dem Landesverband auch für die Koordination der Zeitungen zuständig. Seit 2010 veröffentliche der Verband zehn kostenlose Lokalblätter, um eine „echte Gegenöffentlichkeit zur gleichgeschalteten Medienlandschaft“ zu schaffen. Die vier Seiten starken Zeitungen heißen etwa Weimarer Landbote, Saale Stimme, Faktum oder Bürgerstimme!.
In den aktuellen Ausgaben eines Blattes schimpft Wieschke, der 32-jährige Spitzenkandidat zur Bundestagswahl 2013, über das „Kernproblem“ Europäische Union (EU). EU heiße „Entsouveränisierung, Entsolidarisierung und Entdemokratisierung“. Die Partei greift in den Gazetten jedoch auch regionale und lokale Themen auf: Straßenbahnsanierung, Grundschulerhaltungen oder Schlaglöcher. Im Nordthüringen Boten sagt Monique Möller, NPD-Vorsitzende des Kreisverbandes Unstrut-Hainich, dass das Programm ihrer Partei nicht „braun“ sei, sondern eher „bunt“.
Die Satzung des Medienvereins deutet nur an einer Stelle den Hintergrund an: Nur Deutsche ab 16 Jahren dürften Mitglieder werden. In NPD-Kreisen bedeutet diese Wortwahl, dass „Passdeutsche“ nicht erwünscht sind.
Das Landesamt für Verfassungsschutz befürchtet in einem internen Papier, dass der Verein versuchen könnte, öffentliche Mittel zu erlangen und unter „falscher Flagge‘“ an öffentlichen Diskussionen teilzunehmen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm