Razzien bei Neonazi-Netzwerk: „Werwolf-Kommando“ im Visier

Europaweit wurden beim rechsextremen „Werwolf-Kommando“ Durchsuchungen durchgeführt. Der Verdacht: „Gründung einer terroristischen Vereinigung“.



Neonazi Sebastian N. in Hamburg. Bild: recherche-nord

HAMBURG taz | Seit den frühen Morgenstunden des 17. Juli laufen europaweite Durchsuchungen gegen das rechtsextreme „Werwolf-Kommando“. Die Bundesanwaltschaft vermutet die „Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung“. Einer der Drahtzieher ist der Schweizer Neonazi Sebastian N., der am 5. Mai 2012 in Zürich mit zwei Schüssen einen jungen Mann schwer verletzte. Er verfügt auch in Norddeutschland über beste Kontakte.

In elf Wohnungen, Geschäftsräumen und Gefängniszellen suchten Polizeikräfte in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden nach Beweise gegen das internationale Netzwerk. Dessen „Ziel“, so der Bundesanwalt, „soll es gewesen sein, das politische System der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen“. Als weitere Führungsfigur soll die Karlsruher Behörde auch den 54-jährigen Schweizer Robert S. einschätzen.

In den Niederlanden standen Beamte am Morgen zeitgleich an der Wohnung von Joern B. (29) in der Nähe von Rotterdam. An die 50 Beamte waren allein an den Durchsuchungen in Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern beteiligt. Die Verdächtigen Denny R. (29) und Heiko W. (32), haben die Ermittler wie alle Betroffen nicht festgenommen. Zwei der Beschuldigten, Roberto K. und Sebastian N., sitzen in der Schweiz wegen anderen Delikten bereits in Haft.



Am 7. Mai 2012 endete in Hamburg am Bahnhof Harburg doch auch die Flucht von Sebastian N. Knapp 48 Stunden nach dem Mordversuch in Zürich konnte eine Spezialeinheit den 25-Jährigen, der auf dem Weg zu seiner Freundin in Buchholz gewesen seien soll, überwältigen. Über das Opfer möchte die zuständige Staatsanwältin in Zürich nichts sagen.

Hitler auf der Brust

An der Elbe ist der 1,90 Meter große Glatzkopf kein Unbekannter. Am 1. Mai 2008 nahm er an einem NPD-Aufmarsch teil. Aus dem Marsch heraus griffen Teilnehmer Gegendemonstranten, Polizisten und Journalisten an. Mittendrin: der bekennende Neonazi, auf dessen Brust ein Hitler-Porträt tätowiert ist sowie auf dem rechten Unterarm das Zivilabzeichen der SA.

Bereits im Mai 2008 soll er eine Schrotflinte mit Munition nach Hamburg überführt haben, die bei einer Hausdurchsuchungen 2009 bei einem Mitglied der „Weisse Wölfe Terrorcrew Sektion Hamburg / Nationalkollektiv Hamburg“ gefunden wurde. Die Beschuldigten in Norddeutschland sollen dieser Gruppe angehören.

Aus ermittlungstechnischen Gründen möchte die Bundesanwaltschaft keine genaueren Erkenntnisse bestätigten. In einer Presseerklärung heißt es nur, dass das „Kommando“, „um konspirativ kommunizieren zu können“, bereits „ein elektronisches Verschlüsselungsprogramm entwickelt“ habe, um sich mit bisher Unbekannten zu verständigen. Anhaltspunkte für konkrete Anschlagsvorbereitungen hatten die Ermittlungen vor den Razzien nicht. Mit den Durchsuchungen hoff die Bundesanwaltschaft „Beweismaterial für etwaige Anschlagspläne und –vorbereitungen“ zu finden.

Der Name „Werwolf-Kommando“ lässt vermuten, dass die Verdächtigen auf das „Wehrwölfe-Konzept“ der Nationalsozialisten anspielen, im dem der Angriff aus dem Hintergrund propagiert wurde. Nach der Niederlage 1945 kursierte in der Szene auch bald die vom ehemaligen SS-Hauptsturmführer Arthur Ehrhardt verfasste Taktikfibel „Wehrwolf – Winke für Jagdeinheiten“, in der die „grundlegenden Regel für den Partisanenkrieg“ dargelegt wurden. Bis heute ein Standardwerk in der Szene.

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