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Kommentar zur Karlsruher EZB-KlageDas falsche Gericht entscheidet

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Unsere Verfassung, unser Parlament, unser Geld - der Streit um das Anleiheprogramm der EZB wird zu eng geführt.

EZB-Chef Mario Draghi bei einer Pressekonferenz in Frankfurt. Bild: ap

M an stelle sich einmal vor, ein Franzose - nennen wir ihn Monsieur Dupont - würde mit einem anderen Franzosen - Monsieur Picon - vor einem französischen Gericht über die Europapolitik streiten. Beide wären ehemalige französische Regierungsberater, das Gericht hätte nur französische Experten bestellt, und vom Ausgang ihres Streits hinge das Schicksal der gesamten Eurozone ab.

Was würden wir dazu sagen? Dass das eine feine Sache ist - oder ein absurdes Theater, eine französische Farce? Vermutlich letzteres. Doch genau diese Szene spielt sich heute und morgen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ab. Monsieur Dupont heißt in Wahrheit Weidmann und ist Bundesbankchef, Monsieur Picon heißt Asmussen und vertritt die Europäische Zentralbank (EZB).

Vom Ausgang ihres Streits hängt tatsächlich das Schicksal der gesamten Eurozone ab. Denn setzt sich Dupont - pardon: Weidmann - durch, dann könnte das umstrittene Anleihenkaufprogramm der EZB zum Erliegen kommen. Dann dürfte die Spekulationswelle gegen den Euro, die EZB-Chef Draghi nur mit der Drohung gebändigt hatte, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, wieder von vorne beginnen.

Bild: taz
Eric Bonse

ist Korrespondent der taz in Brüssel.

Die Leidtragenden wären zu allererst Italien und Spanien, die im vergangenen Jahr fast über die Klippe gesprungen wären. Aber auch Frankreich, Belgien und die Niederlande könnten bei einem Wiederaufflammen der Spekulation massiv unter Druck geraten. Doch in Deutschland wird die Diskussion so geführt, als gehe es einzig um allein um uns - um unsere Verfassung, unser Parlament, unser Geld.

Diese nationale Engführung ist das eigentliche Problem bei dem Prozess in Karlsruhe. Die Kläger haben ja in vielem Recht: Natürlich agiert die EZB hart an der Grenze des rechtlich Zulässigen. Natürlich ist EZB-Chef Draghi nicht demokratisch legitimiert. Und natürlich geht es um das Geld deutscher Steuerzahler. Aber eben auch um das der Franzosen, Italiener, Spanier, sogar der Griechen.

Dieser Prozess müsste daher vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg stattfinden, nicht in Karlsruhe. Es dürften nicht nur deutsche Experten zu Wort kommen, es sollte auch um die Interessen der Bürger und Steuerzahler im Süden gehen. Zumindest aber sollten die Beteiligten die europäische Dimension mitdenken. Und genau das ist das Problem mit Monsieur Dupont alias Weidmann.

Der argumentiert nämlich so, als gehe es um die reine Lehre. Doch die Geldpolitik findet, da hat sein Gegenspieler Asmussen völlig recht, nicht im luftleeren Raum statt. Sie muss berücksichtigen, was auf den Märkten passiert - Merkel und ihre Verbündeten hatten es im letzten Sommer eben nicht geschafft, die Spekulation zu bändigen. Und sie muss sicherstellen, dass niedrige Zinsen überall ankommen - und nicht nur in Deutschland.

Im Streit zwischen Dupont und Picon hat daher der Vertreter der EZB die besseren Argumente. Das heißt aber nicht, dass die Kläger im Unrecht wären. Im Gegenteil: einige ihrer Anliegen, etwa die demokratische Legitimation der Eurorettung, sind für Europa und das Überleben des Euro zentral. Doch auch sie können letztlich nur auf europäischer Ebene durchgesetzt werden.

Denn was wäre schon gewonnen, wenn Deutschland die EZB ganz demokratisch ausbremsen dürfte, während Südeuropa, plötzlich schutzlos geworden, unterginge? Nichts. Wer Demokratie in der Währungsunion fordert, muss sich auch der Willkür der Märkte und der Diktatur der Sparkommissare widersetzen. Doch darüber wird in Karlsruhe nicht verhandelt, leider. Irgendwie ist dieser deutsche Prozess dann doch ein absurdes Theater.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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15 Kommentare

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  • W
    Werkmeister

    16.6.13 Die EZB ist ein unabhängiges europäisches Organ. Darum ist das deutsche Verfassungsgericht nicht zuständig. Die EZB hat Gründe, warum es in seiner Geldpolitik frei von fremden Einflüssen entscheiden muss. Gründe, warum die Zinsen jetzt unten bleiben müssen: 1. Die Konjunktur schwächelt EU-weit. 2. Die Arbeitslosen in den südeuropäischen Staaten verhindern einen Zinsanstieg. 3. Die hochverschuldeten Staaten könnten ihre Zins/Tilgungsleistungen nicht mehr stemmen. Bankrott final 4. Der Anleihemarkt würde über einen gewaltigen Crash zusammenbrechen, im Raubeinkapitalismus zockende Banken und Hedgefonds brächen zusammen. Die nächste Banken- u. Staatsschuldenkrise mit der Folge eines finalen Finanzcrash wäre eingeleitet. Dabei würden auch die Aktienmärkte psychologisch bedingt kollabieren. Selbst die EZB käme in Schieflage. Die Notenbanken wären daraufhin erst Recht gezwungen, die Geldschleusen zu fluten. Die Nullzinspolitik ist ohne Alternative, weil es zu spät ist, das Steuer herumzureißen. 2010 schloss sich das Fenster. Die eigentlich verbotene Staatsfinanzierung mit der Notenpresse kennt keine Alternative. Verfassungsgericht in der Zwickmühle! Wolfgang Werkmeister, Buchautor, Eschborn

  • G
    GodoC

    Die europäischen Politiker haben keine Verfassung für die EU entworfen und zur Abstimmung gestellt. Deshalb ist das Bundesverfassungsgericht berechtigt und verpflichtet die Einhaltung des Grundgesetzes nicht nur beim Abschluss europäischer Verträge sicherzustellen, sondern auch bei deren Anwendung.

     

    Die Gefahr ist weniger, dass über den Umweg EZB deutsches Geld an irgendwelche Banken fließt, als dass die Legitimation der Demokratie und des Rechtsstaates leidet. Der Bundestag, da demokratisch gewählt, darf Fehler machen, auch wenn darunter die Demokratie leiden sollte. Wenn dann aber das BVerfG im gleichen Zusammenhang ebenfalls versagt, ist die Rechtsstaalichkeit in Gefahr und damit die zweite Säule der Gesellschaft.

     

    Wenn dann die "Rettung" schief geht und die Folgen für die Menschen auch in Deutschland spürbar werden, ... - Europäische Geschichte kann sich wiederholen!

  • H
    H.Ewerth

    An diesem ansonsten lesenswerten Kommtar stören mich folgende zwei Sätze:

     

    „Und natürlich geht es um das Geld deutscher Steuerzahler. Aber eben auch um das der Franzosen, Italiener, Spanier, sogar der Griechen.”

     

    Eigentlich müsste es doch mittlerweile jeder wissen? Es geht bei den Anleihenkäufen eben nicht um das Geld deutscher Steuerzahler. Das wäre ja auch abwegig, wenn die Steuerzahler der Euroländer für EZB-Verluste haften müssten. Das wäre so, als wenn man sagen würde, die Quelle müsse ihr Wasser vom Eimer holen.

  • L
    lowandorder

    Da Christian Raths rechtliche Einordnung fehlt,

    Eric Bonse etwas locker " rumbrüsselt"

    versuch ich's mal - between:

     

    Erstaunlich an den Vorverlautbarungen aus

    Karlsruhe ist schon - daß sie ja schon mal vom

    EuGH in vergleichbarem Terrain abgebürstet

    worden sind, mit dem Tenor " …im falschen Wald

    Holz gehackt!"( vulgo "Thema verfehlt" im Deutschaufsatz).

     

    Ok, wenn ich mir aber die beiden Hauptkontrahenten

    via papertazfoto so anschau;

    also solchen Glattis würde doch niemand sehenden

    Auges seine Kinder anvertrauen;

    dagegen ist Vossibär ja die Seriosität in Person.

    Das Ding aber mit "… dann heiligt ja der Zweck die Mittel…"

    hätte er besser gelassen; sowas engt unnötig ein.

     

    Und die Dauerkrawallschachtel Herta D-G.?

    Deren Demokratieverständnis kenne ich aus eigener

    Anschauung.

    Sie war, ist und bleibt die flagranteste Fehlbesetzung

    im Justizzirkus; eine ramenternder Quarkbüddel

    mit nix auf Tasche; vorrangig geschuldet einer

    Beißhemmung der männlich dominierten SPezialDemokratie.

     

    In der Sache legen Rath wie Bonse den Finger

    in die Wunde: "…wieso wird nicht dem EuGH vorgelegt?"

    Aber genau das - eine Pflicht ist ja nicht formuliert -

    rückt die Büchse der Pandora in den Blick.

     

    Da ist das aufgrund historischer Sonderkonstellation

    progressiv-moderne Grundgesetz mit seinen hohen Standards

    und da ist das konsensual gebildete EU-Recht einschl. der

    ' wabernden' Verträge.

     

    Eingebettet in Demokratiedefizite, wie sie unserem

    ordre public eindeutig - bisher - nicht genügen.

    Und das gilt durch die Bank z.B. für die Kommissionsmitglieder

    in persona( Stein-Hardenbergsches Reformkabinett läßt grüßen).

     

    Nur - die Karre ist via Banken und - 'schland der

    Niedriglohn-Exportweltmeister in den Dreck gefahren;

    und zwar gesamtbedrohlich.

     

    That's the point of no return.

    Wer sich nicht in Schuldzuweisungen verstricken will,

    wird eine balancierende Lösung finden müssen.

    Unsere Karlsruher Primadonnen wären gut beraten,

    sich weder in die eine noch in die andere Richtung

    ( erneut) zu verheben.

    You ca'nt have the cake - and eat the cake.

  • FW
    Franz Weiler

    Die Finanzierung der in Bedrängnis geratenen Staaten durch die EZB ohne die Einbeziehung des Parlaments im Deutschen Bundestag ist Ländersache und gehört mit Sicherheit nicht nach Europa.

    Wird hier über das Grundgesetzt und seine Umsetzung gesprochen oder über taktische Winkelzüge?

    Ausserdem ist die Bezeichnung Bundesverfassungsgericht m.E. auch nicht korrekt, denn wir haben keine Verfassung -bzw. unsere Verfassung ist das Grundgesetz , nicht mehr, aber auch nicht weniger.

  • E
    Erklärung

    Erklärung für PIIGS und Pigs

    Die Abkürzung PIIGS steht despektierlich für die Euro-Staaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien. Diesen wird unterstellt, sie hätten eine solch hohe Staatsverschuldung, dass ihr Staatsbankrott droht. Das englische Wort „pigs“ bedeutet „Schweine“, deshalb kann das Akronym als beleidigend eingestuft werden.

  • SG
    Schmidt Georg

    natürlcih möchten die Finanzmagier in Brüssel alles an sich ziehen, was denkt da so ein kleines Provinzgericht ? wie können es einfache Richter wagen über die Koryphäen der Weltfinanzpolitik zu richten-wo kommen wir denn da hin?

  • AZ
    ada zaurak

    sorry, aber was interessieren mich die PIIGS? ob die über die "klippe springen" oder nicht ist mir doch erstmal egal. was mich nur verwundert ist, daß die TAZ diese Schmierenkomödie mitspielt. Der EURO und die EU dient einzig dazu, Dragi, monti und deren Goldmann sachs Kumpels noch reicher zu machen, auf Kosten des deutschen Volkes und auch auf Kosten der Südeuropäer.

    Die Frontlienie verläuft also nicht zwischen deutschland und den PIIGS sondern zwischen den Reichen, Bonzen und Bankstern auf der einen Seite und den arbeitenden Leuten auf der anderen. Die Taz stellt sich auf Seiten der Bankster ...

  • S
    super

    Ich hab 'ne Idee: Eric Bonse lässt jetzt andere Leute entscheiden was mit seinem Geld passiert.

    Achnee, lieber nicht? Na so etwas!

  • SG
    Schmidt Georg

    naja, grosse Reden-also-ich bekomm für mein Gespartes auf der Sparkasse jetzt 0,1% Zinsen-der Auszahlungsbetrag meiner LV, dieses Jahr, ist fast 20% niedriger wie vorgesehen-ich kann diese Reden nicht mehr hören-die €u Beamten scheffeln Geld ohne Ende, fast 10% mehr Gehalt für 55.000 Nixnutze und der Sparer wird weiter gemolken-aber was machts-wenn Schäuble den Mund aufmacht, kommt nur Luft rauss. Gemäss dem Motto: so reich und freundlich gab noch keine Hand, dem Menschen ringsum Seifenblasen !

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Alles ziemlich neben der Sache: Verf. übersieht, dass Herr Asmussen nicht als "Deutscher", sondern als Vertreter der EZB anwesend ist - diese hätte auch Herrn Draghi schicken können... Im Übrigen sind weder EZB noch BuBa Partei, sondern lediglich Sachverständige... Casus knaxus ist, ob die EZB sich noch im Rahmen der Übertragung nach Art. 88 Abs. 2 GG hält, und das ist eine spezifsch deutschrechtliche Frage.

  • D
    dffd

    Ich würde Herr Bonse ja zustimmen, allerdings nur unter folgendem Einwand:

    Hätten die Regierungen der Eurozone (und insbesondere in Deutschland) sich nur einmal auf einen Volksentscheid eingelassen, und den ganzen Europäisierungsprozess nur ein einziges Mal demokratisch legitimieren lassen, dann und nur dann wäre der Europäische Gerichtshof legitimiert darüber abzustimmen, was mit den deutschen Steuern, Renten, Beamtengehältern, Kindergärten, Schulen, Universitäten und allem anderen passiert. Bis dahin ist das Verfassungsgericht genau die richtige Institution, um über unsere Zukunft zu entscheiden.

  • D
    dffd

    Ich würde Herr Bonse ja zustimmen, allerdings nur unter folgendem Einwand:

    Hätten die Regierungen der Eurozone (und insbesondere in Deutschland) sich nur einmal auf einen Volksentscheid eingelassen, und den ganzen Europäisierungsprozess nur ein einziges Mal demokratisch legitimieren lassen, dann und nur dann wäre der Europäische Gerichtshof legitimiert darüber abzustimmen, was mit den deutschen Steuern, Renten, Beamtengehältern, Kindergärten, Schulen, Universitäten und allem anderen passiert. Bis dahin ist das Verfassungsgericht genau die richtige Institution, um über unseer Zukunft zu entscheiden.

  • JM
    Jonny Mauser

    Und weil es die Märkte so wollen, kann man das Recht, im Zweifelsfall auch das Grundgesetz, einfach mal kurz beugen, oder wie darf ich Ihren Kommentar verstehen. Wem wird mit der ewigen Retterei eigentlich geholfen? Den Menschen im Süden Europas wohl kaum. Es sind doch die Investoren, Banken, Pensionsfonds usw. deren Spekulationskohle gerettet werden muss. Sorry, aber ich bin dafür den Euro-Schei* endlich zu beenden. Ich drück den Bundesverfassungsgericht die Daumen, allerdings wird der politische Druck schon die "richtige" Entscheidung herbeiführen, war ja schließlich bisher noch immer so.

  • W
    Wiesensohle

    Der Verfasser des Artikels hat nur teilweise recht. Es ist egal, wo der Wahnsinn in der Eurozone aufgehalten wird, egal vor dem EuGH oder dem BVG. Hauptsache, er wird aufgehalten.

    Der einzig richtige Weg aus der Schuldenfalls für die überschuldeten Südländer ist der der Staatsbankrott. Die kranken Melkkühe werden nämlich nur zum Wohl der Banken am Leben gehalten. Es hat keinen Sinn, einem völlig überschuldeten immer noch mehr Geld zu leihen, das er nicht wird zurückzahlen können. Das geht schief.

    Insofern ist hier ein ein Ende mit Schrecken gefragt, und kein Schrecken ohne Ende.