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Sitzplatzvergabe NSU-ProzessLetzter Ausweg Video

Der Bundestag könnte das Gerichtsverfassungsgesetz ändern und eine Videoübertragung des NSU-Prozess zulassen. Christian Ströbele, Grüne, rät davon ab.

Die grünen Eingangstüren des Verhandlungssaals 101 im Oberlandesgericht München – nicht für jeden offen. Bild: dpa

FREIBURG taz | Der Konflikt um den NSU-Prozess lässt sich wohl nur entschärfen, wenn das Prozessgeschehen für Journalisten in einen separaten Arbeitsraum übertragen wird. Doch das Oberlandesgericht (OLG) München hält diesen Weg für illegal. Nun muss wohl der Gesetzgeber helfen, um einen diplomatischen und integrationspolitischen Scherbenhaufen zu vermeiden. Die SPD und eventuell auch die CDU/CSU sind dazu bereit.

Am 17. April beginnt am OLG München der Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Weil an dem Prozess 71 Nebenkläger mit 49 Anwälten teilnehmen, bleiben nur rund hundert Plätze für das Publikum. Zumindest an den tatsächlich interessanten Prozesstagen werden viele Zuschauer und Journalisten keinen Platz finden. Sollte zum Beispiel Beate Zschäpe eine Aussage über ihr Leben im Untergrund ankündigen, dürfte das Interesse gewaltig sein.

Das OLG hatte bestimmt, dass fünfzig Plätze für Journalisten reserviert werden. Die Plätze wurden nach Eingang der Bewerbung verteilt und waren nach drei Stunden vergeben. Türkische Medien meldeten sich zu spät und stehen nun auf der Warteliste. Es gab kein Kontingent für internationale Medien, obwohl so etwas in derartigen Fällen gute Praxis ist.

Nun drohen am 17. April dramatische Szenen. Obwohl acht der zehn NSU-Mordopfer einen türkischen Hintergrund hatten, wird kein einziger türkischer Journalist in den Gerichtssaal können. Auch der türkische Botschafter und türkische Politiker wollen vor Ort sein. Wenn sie sich nicht im Morgengrauen in die Schlange stellen, werden auch sie keinen Platz finden.

Video geht nicht

Um diesen Showdown zu verhindern, wird schon lange über einen einfachen Ausweg diskutiert: Bild und Ton des Gerichtsverfahrens könnten für Journalisten in einen anderen Raum des Gerichtsgebäudes übertragen werden. Dann könnten wesentlich mehr Journalisten teilnehmen und auch im Verhandlungssaal wäre ausreichend Platz.

Doch das OLG hat sich diesen Ausweg verbaut. Eine solche Übertragung verstoße „eindeutig“ gegen das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), behauptete OLG-Präsident Karl Huber. Das ist zwar nicht richtig, denn das GVG verbietet nur die Übertragung „zum Zwecke der öffentlichen Vorführung“ (Paragraf 169), doch von seiner Auslegung kommt das OLG wohl nicht mehr herunter.

Da gibt es nur noch zwei Möglichkeiten. Entweder das Bundesverfassungsgericht ordnet die Übertragung in einen Nebenraum an oder der Gesetzgeber stellt klar, was zulässig sein soll. „Wenn eine Klarstellung erforderlich ist, dass die Übertragung von Prozessbildern in einen anderen Gerichtssaal zulässig ist, wäre die SPD dabei“, sagte Burkhard Lischka, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion auf Nachfrage.

Andrea Voßhoff, die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, fordert den Bundestag zumindest auf zu „prüfen, ob und inwieweit eine gesetzliche Klarstellung notwendig und geboten ist, um eine Videoübertragung in einen anderen Saal des jeweiligen Gerichtsgebäudes zu ermöglichen“. Beate Merk, die bayerische CSU-Justizministerin, hat sich schon in der vorigen Woche für eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes ausgesprochen.

Schnell geht nicht

Um die Situation zu entspannen, müsste die Änderung allerdings schnell erfolgen – und das ist gar nicht so einfach. Denn wegen der Osterpause ist die nächste Parlamentssitzung erst am 17. April, am Tag des Prozessbeginns. Allerdings könnte es zur Befriedung der Lage auch genügen, dass zumindest ein mehrheitsfähiger Gesetzentwurf vorgelegt wird.

Doch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die qua Amt dazu prädestiniert wäre, zeigt kein Engagement: „Mit Blick auf den anstehenden Prozessbeginn und unter Beachtung der Unabhängigkeit der Justiz“ könne sie derzeit zu einer Änderung des Paragrafen 169 GVG nichts sagen, teilte eine Sprecherin mit. Auch die Grünen lehnen eine kurzfristige gesetzliche Klarstellung ab. „Mit schnell beschlossenen Gesetzen zur Vorbereitung besonderer Gerichtsprozesse gibt es ungute Erfahrungen“, sagte Christian Ströbele, der ehemalige RAF-Anwalt.

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7 Kommentare

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  • D
    Dortmunder

    PeterWolf, auch die Veröffentlichung ihres Inhalts ist in einer Videoübertragung verboten. Und wenn das OLG das Gesetz falsch auslegt wie Sie hier behaupten, wieso wollen es einige Bundestagsabgeordnete und die bayrische Justizministerin Frau Merk das Gesetz ändern?

    Das OLG versucht mit allen Mitteln zu verhindern das die Angeklagten nach 3 Jahren Prozess eine Revision ein legen. Und das ist gut so.

     

    § 169

     

    Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig.

  • G
    GerdF

    Ach ja das NSU Märchen, einfach online bei Andreas Hauß Dönermorde lesen oder das COMPACT-Spezial Nr. 1: “Operation NSU” – Neonazis, V-Männer und Agenten!

     

    Und erst wenn darüber NACHGEDACHT im Chor der Konzernmedien weiter singen, oder auch nicht.

  • B
    beowülfchen

    Das sind vielleicht Zustände bei einem international beobachteten Prozess. Noch bevor das Verfahren beginnt, kann die taz, völlig berechtigt übrigens, schreiben, dass der OLG-Präsident das GVG nicht kapiert hat. Meine Güte, ist das peinlich! Der Huber soll sich doch einfach krankschreiben lassen. Findet sicher einen Arzt der bereit ist, einen beginnenden Alzheimer zu bescheinigen.

  • P
    PeterWolf

    "Doch das OLG hat sich diesen Ausweg verbaut. Eine solche Übertragung verstoße „eindeutig“ gegen das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), behauptete OLG-Präsident Karl Huber. Das ist zwar nicht richtig, denn das GVG verbietet nur die Übertragung „zum Zwecke der öffentlichen Vorführung“ (Paragraf 169), doch von seiner Auslegung kommt das OLG wohl nicht mehr herunter."

     

    Was ist das denn für ein Blödsinn?

    Sind die bei der "Wochenschau" hängengeblieben?

     

    Abgesehen davon, dass selbst eine dauerhafte Aufzeichnung (wie die Nürnberger Prozesse) nicht per se einen fairen Prozess vereitelt, ist die nichtaufgezeichnete Übertragung in benachbarte Gerichtssäle nichts weiter als eine Abriss einer sicht- und hörbehindernden Wand, alternativ zu einem größeren Sitzungssaal, und es gab immer schon verschieden große Sitzungssäle. Eine gesetzliche Obergrenze habe ich nicht gefunden.

     

    Und es geht ja keineswegs um eine nichtöffentliche Verhandlung.

     

    O.K. ist, wenn das Vergabeverfahren für die direkten Sitze fair und transparent war, dass es keine Extrawürste für trödelnde (auch türkische) Jounalisten gibt.

    Aber das ist eine andere Baustelle.

  • I
    Irmi

    Es ist entsetzlich was in Deutschland passiert ist, das darf einfach nicht sein. Terror muss viel härter bestraft werden als bisher.

    Dennoch frage ich:

    dürfen wir anderen Ländern vorschreiben was die zu tun und zu lassen haben bzgl. zu dem Thema welche Journalisten wo zugelassen sind? Sicher nicht. Das OLG wird seine Gründe haben, warum sie nicht nachgeben. Allein wie das jetzt aufgebauscht wir, unglaublich. Ich denke das ein Gericht die Freiheit hat selbststänig Regeln aufzustellen und sich an diese zu halten.

    Würden wir uns da jetzt dreinreden lassen, machen wir uns lächerlich vor der ganzen Welt. Wie dreist, da unseren Außenminister zu behelligen.

  • DT
    die Türken sind neugierig

    Einige von denen werden auch ohne feste Plätze kommen.

    Entsprechend grösser wird die Chance sein das dort Nazis ihnen missliebige Personen bedrängen können-und die Polizei dabei zusieht.

    Genau das ist vor einem Vierteljahr im Prozess gegen Norman Bordin geschehen, dieser hatte "Paulchen Panther"-Musik auf einer Demonstration gespielt.

    Vielleicht sollte man mal die Polizei überprüfen,

    und gegebenefalls welche von denen aussen vor lassen.

    Das wäre dann fast schon Aussenpolitik.

     

    http://www.sueddeutsche.de/muenchen/prozess-um-paulchen-panther-melodie-geschmacklos-aber-nicht-strafbar-1.1563520

  • GP
    Gianni Porcospino

    Es ist interessant mal zum Prozeß gegen Marco Weiss in der Türkei nachzulesen, der angeblich eine minderjährige Engländerin vergewaltigt haben sollte und 8 Monate unschuldig in der Türkei in Untersuchungshaft saß.

    Zitiert aus Wikipedia: "Das Verhalten der deutschen Medien und der Politik stieß in der Türkei auf Kritik. So wurde der Anruf Steinmeiers bei Gül durch den Generalstaatsanwalt von Antalya als taktlos angesehen." Und wir sollen der Türkei jetzt Sonderlocken einräumen, weil sich ihre Journalisten nicht rechtzeitig um Plätze bemüht haben?

     

    Keine Sonderrechte für niemand!