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Migrantenkinder in SchulenEntmischung im Klassenzimmer

Schulen mit vielen Kindern nichtdeutscher Herkunft werden von vielen Eltern gemieden. Das ist oft ungerechtfertigt und verhindert die Integration.

Vielfältiges Aussehen, gemeinsamer Spaß. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn Eltern für ihr Kind eine Grundschule suchen, dann achten sie vor allem auf eines: wie hoch der Anteil von Kindern nichtdeutscher Herkunft ist. Das hat eine Auswertung von mehr als 900.000 Zugriffen auf Onlineschulporträts in Berlin und Sachsen ergeben, bei denen dieser Aspekt mit Abstand am häufigsten nachgefragt wurde.

In anderen Bundesländern wird diese Quote zwar nicht offiziell ausgewiesen – sie verbreitet sich aber durch Mundpropaganda und begründet den Ruf einer Schule. Denn viele bildungsorientierte Eltern setzen Schulen mit hohem Zuwandereranteil mit mangelnder Qualität und schlechtem Lernklima gleich.

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftung für Integration und Migration (SVR) hat jetzt untersucht, wie sich die elterlichen Kriterien bei der Schulwahl auf die Situation an den Schulen auswirken. Die Ergebnisse sind frappierend: Denn etwa jeder vierte Jugendliche mit Migrationshintergrund besucht eine Schule, in der Schüler nichtdeutscher Herkunft die Mehrheit bilden. Besonders dramatisch ist die Lage in Berlin: Dort gehen fast zwei Drittel aller Einwandererkinder auf eine Schule, in der sie die Mehrheit stellen.

Die Folgen dieser Entmischung sind klar: „Es ist viel schwieriger, Deutsch zu lernen, wenn Kinder nichtdeutscher Herkunftssprachen weitgehend unter sich bleiben“, sagt Dr. Gunilla Fincke, die beim SVR den Forschungsbereich führt.

Zwar wird allen Kindern in Deutschland behördlich eine Schule zugewiesen. Doch Mittelschichtseltern sind enorm findig, wenn es darum geht, ihren Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen. In Großstädten sorgen rund 10 Prozent aller Eltern mit Erfolg dafür, dass ihre Kinder auf eine bevorzugte Grundschule wechseln. Eltern mit Migrationshintergrund wissen oft gar nicht, dass ihnen diese Möglichkeit offensteht.

Krasse Differenzen

Die Hauptstadt hat der SVR-Forschungsbereich besonders unter die Lupe genommen. Dabei zeigt sich, dass in Berliner Bezirken wie Kreuzberg oder Wedding, wo viele Einwanderer leben, die Segregation besonders krass ist: Dort gibt es Schulen, in denen der Anteil ausländischer Schüler um 75 Prozent über dem Schnitt ausländischer Kinder gleichen Alters im Schulbezirk liegt. Und Schulen, in denen dieser Anteil um 75 Prozent darunter liegt: Da bleiben dann etwa die Kreuzberger Kinder deutscher Herkunft fast unter sich.

In erster Linie appelliert der SVR an Schulen mit hohem Migrantenanteil, mehr zu tun, um bildungsorientierte Eltern anzusprechen: durch Einbeziehung der Eltern, die Vernetzung mit anderen Schulen und externen Partnern sowie gezielte Fortbildungen des gesamten Kollegiums. Die Politik wiederum müsse gezielt solche Schulen fördern, die aufgrund ihres sozialen Umfelds besonderer Unterstützung bedürften. Und: „Eltern sollten keine Pauschalurteile über Schulen mit einem hohen Anteil von Zuwandererkindern fällen.“

Eine Quote, die Schülern nichtdeutscher Herkunft oder aus bildungsfernen Familien den Besuch besonders begehrter Schulen garantiert, hält Fincke zwar für „denkbar“. Dagegen spreche aber, das alle derartigen Versuche, die sie im internationalen Vergleich dazu kenne, gescheitert seien.

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18 Kommentare

 / 
  • PS
    Peter S.

    Zur Erinnerung, vor 5 Jahren verklagten Bestmenschen den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, weil sie für ihre Zöglinge keine Privatschule gründen durften. Sie wollten ihren Kindern keine staatliche Schule zumuten, dort wären dann die Kinder als Biodeutsche in der Minderheit gewesen. Sinnigerweise war in der Klägergemeinschaft einer der Mitbegründer der TAZ. Etwas später heulte der Gutmensch rund um den Arkonaplatz (der Kuchen auf dem freitaglichen Ökomarkt ist sehr zu empfehlen) laut auf, als Planungen bekannt wurden, dass wegen Überfüllung der Schule an ebend diesem Platz, die Bestkinder nach Wedding, jenseits der Bernauer Straße sollten. Wie war das mit dem Wein? Gemäß Bestmenschendefinition und TAZ ist Buschkowsky ein kleinbürgerlicher Spießer, Sarrazin wurde in dieser Postille als rassistisches Arschloch beschimpft. Was sind dann diese Bestmenschen? Mal sehen, ob mein Beitrag erscheint:-).

  • AB
    alles beim Alten

    Wie Herr Bax feststellt, wollen Eltern stets das Beste für IHRE Kinder. Die Ansichten darüber, was das Beste ist, unterscheiden sich mit den Eltern. Für viele ist ein guter Schulabschluß wichtig, für andere, sind es handwerkliche Fähigkeiten, sportliche Leistungen oder eine große Familie. Wer Wert auf schulische Leistungen legt, wird eine Schule mit gutem Lernumfeld suchen.

     

    Wie Herr Bax in seinem Artikel weiterhin ausführt, haben Schulen mit einem hohen Anteil an Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache ein abgemindertes Lernumfeld, weil dort bei vielen Kindern erst die Voraussetzung für ein gemeinsames Lernen auf Basis der deutschen Sprache geschaffen werden muss. Diese Zeit bis zur Herstellung der Voraussetzungen für ein gemeinsames Lernen, geht den anderen Kindern, die diese Voraussetzungen bereits besitzen, in der Regel verloren. Der in dieser Zeit nicht vermittelte Lehrstoff muss dann mühsam nachgeholt oder abgeschrieben werden. Es bildet sich dadurch eine Struktur von Schulen heraus, bei der die Kinder einer Schule jeweils annähernd gleiche Startbedingungen für die schulische Laufbahn haben und keiner entsprechend der eigenen Fähigkeiten eingeschränkt wird, sowie Schulen bei denen Kinder von Eltern mit alternativen Lebensentwürfen die Mehrheit bilden.

     

    Weil diese alternativen Lebensentwürfe nicht in das Schema der guten Schulbildung gepresst werden kann, wird diese Ausdifferenzierung als Makel herausgestellt, da alternativen Lebensentwürfe offensichtlich keinen inneren Wert haben dürfen.

     

    Statt einer Differenzierung nach Lebensentwürfen und gemeinsamen Voraussetzungen wird von Segregation gesprochen. Diese Unsitte einer autoritären Leitkultur sollte doch in Zeiten einer multikulturellen Gesellschaft der Vergangenheit angehören und stattdessen allen Eltern die Möglichkeit offenstehen, die Kinder in individuelle Lebensentwürfe hineinwachsen zu lassen.

  • V
    Vorstädter

    Mischung ins Klassenzimmer!! wäre eine andere mögliche Überschrift

     

     

    Es muss endlich der Anteil Deutscher Kinder in den Vorstadt-Schulen erhöht werden und ebenfalls der Ausländeranteil an den "national befreiten Schulen (Reichenviertel)"!

     

    Und das zur Not stadtteilübergreifend auf staatliche Weisung!

    Dazu sind Schuluniformen einzuführen, die verhindern sollen, dass Reichenkinder angegriffen werden oder arme Kinder ausgegrenzt werden. Überhaupt muss Sozialdarwinismus in der Schule soweit als möglich vermieden werden!

     

    Nur eine gute Mischung hilft die Integration voranzutreiben! Dabei helfen aber keine Schulen, an denen Deutsch eine Minderheitensprache ist!

  • W
    wegen

    Nicht nur die Eltern versuchen, ihre Kinder auf eine möglichst "gute", deutsche Schule zu bekommen. Auch die Schulen selbst sortieren fleißig mit: Beim Aufnahmeverfahren der Berliner Oberschulen versucht jede Schule, sich möglichst die besten Schüler herauszupicken. Und die Schüler, die dann noch übrig bleiben kommen auf eine der berüchtigten "Restschulen". An diesem ungeschriebenen Schul-Ranking hat sich seit der letzten Berliner Schulreform nichts geändert - es ist eher noch schlimmer geworden.

  • T
    Toasty

    Also ich bin 5 Jahre in einer Grundschule in Wedding mit >= 50% "nicht-deutschen" in der Klasse gewesen.

    Und ich habe heute noch gut in erinnerung, dass es durchaus sehr kluge Migranten gab, die viel mitgemacht haben.

    Aber eben auch viele, die unter sich geblieben sind und/oder einfach den Lernfluss behindert haben.

     

    Daher würde ich selbst auch für meine Kinder eine Schule mit geringerem Anteil suchen, was nichts mit meiner politischen Ausrichtung, Ausländerfeindlichkeit oder sonstwas zu tun hat - sondern mit meiner eigenen Erfahrung.

  • L
    Lügner

    Dann ist "links" wählen genauso eine verlogene Methode um die Seele rein zu waschen, wie der Kauf von teuren Bio-Lebensmitteln. Gibt ja Untersuchungen, die zeigen, dass das die unsozialsten Leute sind.

  • K
    Klicki

    Rechte Propaganda freut sich darüber, wie die taz allen nichtdeutschen Eltern unterstellt, nicht bildungsorientiert zu sein, siehe

    http://ernstfall.org/2012/11/28/integration-schulen/

  • DW
    Der Wolf

    "Zwar wird allen Kindern in Deutscheland behördlicherseits eine Schule zugewiesen". Ja, geht es noch, Herr Bax? Wissen Sie eigentlich WORÜBER Sie da schreiben? Die Lage hat sich längst in der meisten Bundesländern geändert. Mir fällt übrigens in letzter Zeit bei vielen TAZ-Artikeln auf, dass ungenau und schludrig recherschiert wurde. Auch so etwas trägt zum Zeitungssterben bei... Und so nen hingerotzten Journalismus krieg ich auch für lau im Netz. Nichts für ungut.

    Solidarische Grüße vom Wolf

  • L
    lowandorder

    Herr Bax legt den Finger in die Wunde: unsere Gesellschaft entsolidarisiert sich - wo immer das noch möglich ist.

     

    Ob allerdings diese vermeintlich so gewieften Eltern ( rinks wie lechts)

    wirklich so richtig liegen? So langfristig gesehen.

     

    Ich wag das mal zu bezweifeln, meine Lebensreise hat mich anderes gelehrt, einen anderen Eindruck hinterlassen.

    Noch unter den Amis geboren eh die Russen kamen, wurde ab meiner 2. mehrheitlich Russisch, Lettisch und Polnisch gesprochen.

    Reichwald ein souveräner warmherziger Lehrer mühte sich nach Kräften.

    Kumpel Olga, Lette, machte später Abitur.

     

    Auf der Penne( dorten in 3. Generation) - klar, die aus den feineren Häusern - Subjekt, Prädikat, Objekt - mir und anderen waren Hauptwort, Tuwort … geläufig.

    Maier II ließ jeden Tag ein Diktat schreiben. Nich ton uthollen.

    Dennoch - ich blieb 2x backen.

    Egal. Abi. Studium im Schnelldurchgang. 30 Jahre Jahre Richter - was auch heißt, unter der Nase gut zu Fuß sein und halbwegs lesbare Urteile pinseln.

    Noch Fragen?

     

    Es ist anders gewendet - wie mit behinderten Mitschülern durch die Schule - ja auch durchs Studium und sogar den Beruf zu gehen.

    Es formt, man wird nicht dümmer und begreift, daß die Welt so eindimensional nicht ist.

    Ich möchte das alles nicht missen, es hat mich sehen, genau hinschauen und Empathie gelehrt. Und mir gerade im Job die Arbeit vielfältig erleichtert.

    Was will ich mehr - als dankbar dafür zu sein.

  • E
    Erich

    Unser Nachwuchs hat ja quasi auch Migrationshintergrund, allerdings in dritter Generation. Ob es daran liegt, dass selbst die erste Generation schon sprachlich die Elternsprache nur noch aus dem Urlaub kennt, wie auch immer: auch für uns war es bei der Wohnungswahl wichtig, eben NICHT in den Schulsprengel einer klassischen Zentrumsschule zu kommen. Offenbar gibt es Personenkreise, die sich gern den zu Zugang zu Bildung verbauen und dabei andere mit runter ziehen. Ich finde es nicht verwerflich, sich aus dem Strudel zu retten.

  • G
    grifter

    Nach der Logik von Daniel Bax sollen die Mittelschicht-

    Eltern ohne Murren ihre Kinder auf dem Altar einer

    verfehlten, auch von der Migratensite her, Migrations-

    politik zu Opfertieren machen. Nur, das wird so nicht funktionieren, und das ist auch gut.

  • M
    mike

    Und wetten das grade die Linksalternativen die sind die dafür sorgen das ihr Nachwuchs nicht mit Hassan und Abduhl in der gleichen Klasse sitzt?

  • VV
    Volker Vonssen

    Na ist doch prima, daß Herr Bax alles besser macht und sich sicherlich politisch korrekt auch für seine Kinder entscheidet. Oder?

  • PE
    P. E.

    Das Problem ist aber, wenn man schon im Kindergarten feststellt, dass sich ein erhöhter Anteil Kinder nichtdeutscher Herkunft auf die Sprachfertigkeiten des eigenen Kindes auswirkt. Klar, die nichtdeutschen Kinder profitieren von deutschen Kindern, aber es gibt eben auch einen negativen Effekt in die andere Richtung, also eine Art Mittelwertbildung in den Sprachkenntnissen.

    Da verstehe ich Eltern, die verhindern wollen, dass sich das in der Schulzeit fortsetzt.

  • I
    Idee

    Am einfachsten wäre es, wenn die promultikulti Eltern den Anfang machen.

     

    Bei uns in NRW wollen auch linke Eltern ihre Kinder nicht in die Migrantenschule schicken, sowie Politiker.

     

    Die Konservativen werden das dann erst recht nicht tun, da die Linken ja ihre Vermutungen bestätigen.

     

    Ich würde es auch nicht tun.

  • A
    Ansgar

    "Denn viele bildungsorientierte Eltern setzen Schulen mit hohem Zuwandereranteil mit mangelnder Qualität und schlechtem Lernklima gleich."

     

    Auch bei einem hohen Anteil von Ostasiaten z.B.? Glaube kaum.

  • L
    LordBubu

    Aha nicht gerechtfertigt... und warum schicken dann selbst Migranteneltern ihre Migrantenkinder auf autochton durchsetzte Privatschulen, wenn sie sich es leisten können?

     

    Alles schön im Lummerland. Man muss nur wegsehen.

    • S
      saarland
      @LordBubu:

      Gerade die linken Edel-Eltern legen den allergrössten Wert darauf, dass ihre kostbare Brut möglichst elitär aufgezogen wird.

      Beispiel? Lafo`s Maurice besucht eine bilinguale Schule!