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Missbrauch an der OdenwaldschuleDie Aufarbeitung geht weiter

Die meisten Übergriffe an der Odenwaldschule sind strafrechtlich verjährt. Die Aufarbeitung geht auf Drängen eines Opfer-Vereins aber in eine neue Runde.

Nicht vergessen: Mahnung der Missbrauchsopfer nahe der Odenwaldschule. Bild: dpa

HEPPENHEIM dpa | Die als schleppend kritisierte Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule könnte neuen Schwung bekommen. Zweieinhalb Jahre nachdem die Übergriffe in großem Ausmaß an die Öffentlichkeit kamen, ist ein Treffen geplant, das es in dieser Zusammensetzung aus Vertretern von Schule und Opfern noch nicht gegeben hat.

Ausgewählt wurde für Freitag (5. Oktober) ein neutraler Ort im südhessischen Heppenheim. „Es sitzen alle an einem Tisch“, sagte der Landtagsabgeordnete Marcus Bocklet (Grüne). Er vertritt die Petition einer ehemaligen Schülerin, die stellvertretend für Missbrauchsopfer Aufklärung fordert. Dies ist Auslöser des Treffens.

Als offiziell gilt die Ende 2010 genannte Zahl von 132 Missbrauchsopfern. Die sexuellen Übergriffe liegen meist Jahrzehnte zurück und gelten strafrechtlich als verjährt. Diese Zahl hatten zwei Sonderermittlerinnen bekanntgegeben. Sie ist nicht mehr verändert worden. Opfer-Vertreter gehen von wesentlich mehr Betroffenen aus, von der Dunkelziffer ganz abgesehen.

Zu den größten Kritikern der Odenwaldschule gehört der Opfer-Verein „Glasbrechen“. Vorsitzender Adrian Koerfer zeigte sich im Vorfeld des Treffens zurückhaltend – die Schule auch. Koerfer verwies auf die Internetseite von „Glasbrechen“: „Vielleicht trägt der öffentliche Ortstermin (...) ja nun endlich ein wenig zur Klärung des zukünftigen Kurses der Odenwaldschule und ihrer Verantwortlichen gegenüber uns Opfern und Opfervertretern bei.“

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2 Kommentare

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  • E
    Ex-Odenwaldschueler

    Ausgezeichneter Kommentar.Schlimm ist das diese ¨¨Ehemaligen¨¨ und ¨¨Foerderer¨¨ oft in leitenden Positionen sitzen mitsamt ihrer Einstellung und ihrer Geschichte.Im Uebrigen habe ich damals den Elernbeirat und die Beiratsvorsitzende Informiert.REAKTION leider keine.Die meisten wussten Bescheid.Heute wird gelogen und getrickst.

  • AO
    Angelika Oetken

    Vielleicht trägt der öffentliche Ortstermin (...) ja nun endlich ein wenig zur Klärung des zukünftigen Kurses der Odenwaldschule und ihrer Verantwortlichen gegenüber uns Opfern und Opfervertretern bei.

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    Eigentlich ist es doch absurd: auf einer Schule, die für sich beansprucht, die Rechte ihrer SchülerInnen in besonderem Maße zu stärken und ihre Bedürfnisse weitgehend zu berücksichtigen, werden im Laufe von gut 30 Jahren Hunderte von SchülerInnen systematisch und gewohnheitsmäßig sexuell missbraucht.

     

    Dass das angeblich kaum einer mitbekommen habe und es ansonsten ja "sehr schön" dort gewesen sei, ist eine angesichts der Thematik häufig gehörte Ausflucht. Auch in anderen Zusammenhängen. Sei es bei Übergriffen im privaten Umfeld oder an anderen Einrichtungen wie der Canisiusschule.

     

    Nun handelt es sich bei den Mit-Schülern und den leugnenden LehrerInnen und Eltern ja sicherlich nicht um Angehörige einer aufgrund von Intelligenzdefiziten in ihrer Auffassung beschränkten Gruppe.

     

    Für diese offensichtliche Ausblendung und Abwehr von Realitäten muss es also andere Gründe geben.

     

    Fündig wird, wer sich mit dem Thema "Opfern" in Bezug auf sexuellen Missbrauch beschäftigt. „Opfern“ als rituelle Handlung ist etwas tief in unserer Kultur verwurzeltes.

     

    Ursprünglich diente es dazu, den Schrecken alltäglicher Bedrohungen dadurch zu bannen, dass die Menschen selbst die Angst auslösenden Handlungen an einigen von ihnen vollzogen. Furcht davor, von Raubtieren getötet zu werden, führte zu rituellen Morden. Die Angst sexuell missbraucht oder impotent zu werden, zu entsprechenden kultischen Opferhandlungen. Heute noch als Beschneidung und ritueller Missbrauch verbreitet.

     

    Unsere –christlich geprägte – Kultur hat zwar versucht, diese Opferhandlungen zu sublimieren und damit unter ihre Kontrolle zu bringen, im Bereich sexueller Übergriffigkeiten ist das aber gründlich misslungen.

     

    Denn sexueller Missbrauch ist Teil unserer Alltagskultur.

     

    Und dass die Verantwortlichen der Odenwaldschule diese Tatsache immer noch abwehren bzw. herunterspielen kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass sie es für nötig empfinden, den Schrecken, den Missbrauch bei ihnen auslöst dadurch zu kompensieren, dass sie die Betroffenen von damals, die sich mit der Bitte um Klärung und Genugtuung an sie gewandt haben erneut opfern. Indem sie sie hinhalten, ermüden, gegeneinander ausspielen.

     

    Missbrauch scheint in den Kreisen, aus denen sich die „OSO“ zusammensetzt, folglich sehr verbreitet zu sein.

     

     

    So verbreitet, dass das Thema große Angst auslöst und intensiv abgewehrt werden muss.

     

    Ich weiß nicht, wie es anderen geht: aber beim Lesen der klangvollen Namen der „Ehemaligen“ und „Förderer“ beschleicht mich ein ungutes Gefühl.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, Betroffene sexualisierter Misshandlung in der Kindheit

     

    P.S. hat die „OSO“ eigentlich heute ein brauchbares, d.h. operationalisierbares Kinderschutzkonzept?