zwischen den rillen : Acht gesetzte Linke
Die Botschaft ist bei Chumbawamba eine geschmäcklerische Beigabe zur gefälligen Musik
Das neue Chumbawamba-Album wurde nach einem Präfix benannt: „Un“. „Un“ wie unstoppable, unconventional oder unbelieveable. Oder, warum nicht, wie ungewöhnlich, unversöhnlich und unbequem. Auf dem Cover sieht man ein rotes X, X wie durchgestrichen. Darüber steht „UnChumbawamba“, die Band löst sich gewissermaßen selbst auf. Entsprechend sieht man auf der Rückseite des Covers ein Foto der Trompeterin und Sängerin Jude Abbott, auch ihr Gesicht ist rot durchgestrichen. Für die Covergestaltung zeichnet ein gewisser Unbaader-Meinhof verantwortlich, man darf dahinter die Band selbst vermuten. Die „bloody control freaks“, wie sie sich selbst nennen, haben nicht nur alle Songs geschrieben, arrangiert und eingespielt, sondern auch komplett produziert.
Im Booklet finden sich Fotos von allen Mitgliedern des Chumbawamba-Kollektivs, acht gesetzte Linke – drei Frauen, fünf Männer –, Menschen mit Gesichtern, ungeschminkt und vor allem nicht unschön. Seit ihrer Gründung Anfang der Achtzigerjahre hat diese Band stets bewiesen, dass sie gut ist. Gut heißt: links. Links heißt bei Chumbawamba: meinungsstark. Seit ihrem Debüt „Pictures of Starving Children Sell Records“ protestieren sie gegen die Verhältnisse. Obschon ihre Platten seit einiger Zeit auf Mayor-Labels erscheinen, hat sich daran nichts geändert. Seit Mitte der Neunzigerjahre nun ist der Sound stark festgelegt: von unkompliziertem Folk mit Geige und Akkordeon geprägter Pop mit elektronischem Einschlag, nicht selten mit einem dreistimmigen Frauenchor eingesungen, konventionell, mit Texten, die es in sich haben.
Auf „Un“ ist es nicht anders, Chumbawamba knüpfen sogar an ihren großen Hit „Tubthumping“ von 1997 an, die berühmte Zeile „Pissing the night away“ verwandelt sich nun in „Remember that someone is pissing in the vine“ in dem Song „When Fine Society Sits Down To Dine“. Andere Themen sind: Kuba, welches sowohl vom US-Embargo als auch von Castro geknechtet ist; gegen die Unterdrückung in Zimbabwe durch Robert Mugabe; gegen Kapitalismus; gegen den Krieg im Irak. In „On Ebay“ geht es um die so genannten geraubten Kunstwerke im Irak, die Band stellt sich vor, bald würden jene auf Ebay zur Versteigerung angeboten. Das alles ist schlimm, ja.
Doch wie jede Agit-Pop-Band machen es sich Chumbawamba zu einfach – zu sagen, dass die Scheiße die Scheiße ist, ist ja nicht falsch, bleibt nur, sofern es beim bloßen Benennen bleibt, völlig effektlos. Und so bleibt die Botschaft von Chumbawamba auch eine sehr flache, jede und jeder, die/der den In- und Auslandsteil seiner Zeitung liest und sich einen Funken Anstand bewahrt hat, wird ähnlich empört sein. Andererseits sind die derzeit in Simbabwe geschehenden Verbrechen andere als jene auf Kuba, doch Chumbawamba haben für das eine wie das andere nur eine Sprache und nur eine Musik. So läuft die Botschaft leer, sie wird zur geschmäcklerischen Beigabe einer gefälligen Musik.
Die wiederum ist zweifelsohne sehr hübsch, steht in der Tradition solcher Bands wie Dexy's Midnight Runners, The Pogues oder auch des Sängers Billy Bragg, ein Folk, der sich über die Jahre und Zeiten in eine Art unesoterische Weltmusik verwandelt hat. Doch fehlt dieser Musik bei Chumbawamba inzwischen alles Widerständige, die Band genügt sich im politischen Gestus und im Lippenbekenntnis, damit unterhält sie, und das fürwahr nicht schlecht. Eine agitatorische Ästhetik, eine politische Haltung ist dieser Band jedoch mittlerweile abhanden gekommen. JÖRG SUNDERMEIER
Chumbawamba: „Un“ (Mutt/Edel)