zwischen den rillen : Gang Starr hüten den Gral des HipHop
Willkommen im Fight Club
Kein Weg führt an den Wächtern vorbei. Auf dem mit Graffiti ornamentierten Tor prangt ihr Siegel. Links und rechts ragen Pfeiler in die Höhe, in die Boxentöner eingemeißelt sind. Hinter den alten Mauern verbirgt sich ihr neues Album. Das Cover warnt Außenstehende vor unerlaubtem Betreten. Wissenden verspricht es „echten“ Stoff, den „einzig wahren“ HipHop. Ja, den gibt es jetzt wieder.
„The Ownerz“ ist das sechste Album von Gang Starr. Guru und DJ Premier sind seit 14 Jahren ein Paar – eine Ewigkeit im Genre der dicken Hosen. Auch wenn der Massenerfolg bisher ausblieb, sind ihre Verse so oft zitiert und ihre Beats so oft imitiert worden, dass ihr Status als Klassiker unbestreitbar ist.
Wer darf nun rein ins neue Land der HipHop-Majestäten, wer muss draußen bleiben? Mit Blick auf die Branchenkrise ist die Frage schnell beantwortet: Unerwünschte Eindringlinge sind nicht mehr nur „Sucker MCs“, sondern vor allem Internet-Sauger und CD-Brennende. Explizit wird man auf die rechtliche Dimension ihres Albumtitels hingewiesen, wenn man die CD aus der Plastikhülle nimmt: „You don’t own the copyright.“
Der musikalische Teil kommt ohne juristische Belehrungen aus. Wäre auch einfach zu uncool. Gerade für Gang Starr, sind sie doch seit 1989 die Coolness generierende Maschine schlechthin. Während Gangster-Rap die bedrohliche Seite urbaner Fiktion repräsentiert – Gewalt, Waffen, Drogen –, stehen Gurus monoton autoritärer Flow und Premiers bouncende Sample-Schlösser für die Zutaten, die Rap cool machen: Street Knowledge, Respekt, Überleben, Authentizität, kurz: Realness.
Die Kämpfe darum, wer der Echtere im Rap ist, hatten in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre unter dem Motto „Keep It Real“ ihren Höhepunkt. Ernüchtert durch die Morde an Tupac und Biggie nahmen die MCs jedoch Abstand vom Purismus mit Kanaldeckelzertifikat. Zumal einige, die lauthals die Reinheit der Kultur propagiert hatten, im immer größer werdenden Strom mitschwimmen wollten. Stagniert die Karriere aber kreativ und finanziell, beschwören Rapper wieder die guten, alten Zeiten herbei, so wie es heute oft der Fall ist.
Als archetypisches HipHop-Duo verkörpern Gang Starr zwar das Erbe der Old School, haben sich aber nie in eine Nostalgie geflüchtet, die vor dem Jetzt kapituliert. Ihre Vergangenheit ist ein unmittelbar zu nutzender Pool aus Platten-Samples und persönlichen Erfahrungen. Im swingenden Jazz-Track „Deadly Habitz“ schließt Guru seine fatalistische Trinksucht mit der Kriegslust in den USA kurz. Das Based-On-A-True-Story-Telling von „Nice Girl, Wrong Place“ setzt ihren Klassiker „Ex Girl“ von 1992 fort. Das finale Stück „Eulogy“ zollt den Verstorbenen von Jam Master Jay bis Nina Simone letzten Respekt. Und mit der Forderung nach wirtschaftlicher Selbstermächtigung im Manifest „Riot Akt“ schafft Guru einen Gegenentwurf zur Kontrollgesellschaft.
Trotzdem haftet dem kulturhüterischen Leitmotiv der „Ownerz“ etwas Anachronistisches an. Macht es heute noch Sinn, Grenzen zwischen „wahrem“ und „falschem“ HipHop zu ziehen, wenn sich Hardcore-B-Boys mittlerweile problemlos zum Boygroup-Ableger Justin Timberlake bekennen können?
Dass „Realness“ ein Mythos zum Zweck ist, hat 50 Cents mit Erfolg bewiesen. Auch für Gang Starr kann die Abgrenzung zu Kulturschändern den angenehmen Effekt haben, dass sich die vereinte Zielgruppe auch ihre DVD kaufen wird. Der Unterschied zur Schusswundenschau eines 50 Cents aber ist die Schlüssigkeit, mit der Gang Starr sich als Fels in der Brandung erweisen – einfach durch die bessere Musik. Hier lohnt sich die Mobilisierung eines letzten Idealismus immer.
Für „The Ownerz“ haben sie sich fünf Jahre Zeit gelassen. Während im Rap mehr und mehr Stars auf ein dienstleistendes Produzenten-Karussell zurückgreifen, haben Gang Starr ihren Stil beibehalten und ihn aus sich selbst entwickelt. Um sich deutlich von den schleimigen bis nervös polierten Klängen des Radio-Rap zu distanzieren, beginnt „The Ownerz“ noch trockener, noch entschlackter und noch schwerer als gewohnt. Der Reichtum der Sample-Sprache von DJ Premier entfaltet sich mit der Dramaturgie des Albums von monumentalen Stampfern über genial-simple Ein-Takt-Loops bis zu überwältigenden Cut-&-Paste-Epen; von Scratch-Refrains, die das eigene Material historisieren, bis zum Knistern von Vinyl wie Speck in der Pfanne.
Schwere Beats und Worte mit Gewicht in einer entmaterialisierten Welt – so lässt sich die Relevanz von Gang Starr grob abstecken. Das Video zu „Rite Where You Stand“ zitiert passend zur Suche nach „Realness“ die Kellerszene aus „Fight Club“. Während oben Konsum die Kunst abgelöst hat, battelt Guru unter dem Grund mit nackten Worten gegen einen MC, bis dieser zerplatzt. Wer das auch nur halb glaubt, wird doppelt belohnt. UH-YOUNG KIM
Gang Starr: „The Ownerz“ (Virgin)