zwischen den rillen : Spaniens Alternative: Dusminguet und Amparanoia
Solidarität und Import
Die Welt wird zum globalen Dorf, behauptete einst der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan. Das Dorf ist die Welt, sagen dagegen Dusminguet – eine Band, die sich einer Globalisierung von unten verschrieben hat.
Die katalanische Band stammt aus La Garriga am Fuße der Pyrenäen, 30 Kilometer nördlich von Barcelona entfernt. Wie dort früher auf dem Dorf die traditionellen Pachanga-Orchester zum Tanz aufspielten, tragen Dusminguet heute das örtliche Fiesta-Gefühl um die Welt. Ihnen „gefällt der Rock ’n’ Roll“, behaupten Dusminguet zwar auf ihrem jüngsten Album „Go“, und sie handeln auch nach der alten Rockabilly-Maxime, wonach kein Song länger als drei Minuten dauern sollte. Aber sie mischen auch südamerikanische Dorfstile wie Tex-Mex, kolumbianische Cumbia und Vallenato in ihre Songs.
Seit sie 1995 zusammenfanden, haben sich Dusminguet einen Ruf als originäre Botschafter der „Zona Bastarda“ erspielt, wie Barcelonas kreativer Melting Pot gerne genannt wird. Mit ihrem Dilettieren zwischen allen Stilen fügen sie sich perfekt in den so genannten „Mestizo“-Sound der katalanischen Metropole am Mittelmeer, der auch in Lateinamerika viele Verwandte im Geiste hat. Bevor Dusminguet im vergangenen Jahr für „Go“ ins Studio gingen, waren sie auf einer ausgedehnten Tournee durch Mexiko. Dort, im mexikanischen Guadalajara, erlitt ihr Bassist Carlos Rivolta auf offener Bühne einen Stromschlag, an dessen Folgen er starb. Ihm ist das Album „Go“ gewidmet.
Amparo Sánchez dagegen ist wohl die wichtigste Frau im Kreis der männlich dominierten Mestizo-Familie. Auf ihrer Webseite zeigt sie eine virtuelle Galerie von Erinnerungsfotos Arm in Arm mit fast allen Größen der spanischen Szene. Sie trägt gerne sportliche Trainingsjacken und das Haar mit einem Tuch zum Turban hochgebunden. Ihre Band Amparanoia entstammt dem engeren Umfeld von Manu Chao. Der Galizier gilt als geistiger Übervater der musikalischen Mestizo-Bewegung, seit er in den Achtzigerjahren mit seiner Band Mano Negra zum Vorbild für den Bastard-Sound einer ganzen Generation wurde.
Das ist wohl auch der Grund, warum Amparo Sánchez zuweilen wie die kleine Schwester von Manu Chao klingt. Geboren im andalusischen Granada, zog es sie 1993 nach Madrid, wo sie mit ihrer dunklen Stimme zunächst in den Clubs und Bars der Stadt für Aufsehen sorgte. Das Zusammentreffen mit Manu Chao motivierte sie, eine eigene Band um sich zu scharen. So entstand Mitte der Neunzigerjahre das lose Kollektiv Amparanoia, dessen erstes Album „El Poder de Machin“ 1997 erschien.
Die Liste der Musiker, mit denen Amparo Sánchez seitdem gearbeitet hat, liest sich wie ein Who’s Who der florierenden Mestizo-Szene: Neben Manu Chao zählen der baskische Dub-Aktivist Fermin Muguruza, die katalanischen Fusion-Bands Macaco, oben genannte Dusminguet und Ojos de Brujo aus Barcelona sowie die Latin-Ska-Kapelle Los de Abajo aus Mexiko dazu.
Nach einer Mexiko-Reise im Jahr 2000 begann Amparo Sánchez, sich für die Zapatisten-Bewegung zu engagieren. Zurück in Spanien, organisierte sie mit Mestizo-Kollegen wie Wagner Pa als kollektives „Sound Sistem para la Realidad“ eine kleine Solidaritätstournee samt Fotoausstellung durch Spanien. Die erspielten Spendengelder überbrachte sie 2001 persönlich zum Marsch der Zapatisten auf Mexico-Stadt.
Im gleichen Jahr erschien ihr drittes Album, „Somos Viento“, das deutlich vom Zapatisten-Thema geprägt war. Ihr neues Album, „Enchilao“, ist dagegen sehr viel stärker karibisch angehaucht und zeigt die Band deutlich von kubanischen Stilen beeinflusst – darauf verweist schon der Titel, der kubanisch „Gepfeffertes“ verspricht.
Ansonsten verwebt Sánchez wie gewohnt in ihren Texten persönliche und politische Themen und weiß Punk-Attitüde mit Son-Anklängen, Ragga-Einflüsse und Elektronik-Spielereien unter ihren Turban zu bringen. Auf „Pregonando: War is not the solution“ sind sogar arabische Botschaften zu vernehmen. Das dürfte in den Jugendzentren und WGs der globalisierungskritischen Welt, von Madrid bis Genua, wieder einmal ein kräftiges Echo finden.
In Deutschland sind Amparanoia wie Dusminguet dagegen bislang noch wenig bekannt, aber bisher waren ihre Alben hierzulande auch nur über verschlungene Importwege zu haben. Nun aber haben sich die deutschen Dependancen der multinationalen Plattenfirmen, bei denen sie unter Vertrag sind, getraut, diese heimlichen Stars der spanischen Alternativszene auch hierzulande zu veröffentlichen: ein längst überfälliger Beitrag zur musikalischen Globalisierung von unten. DANIEL BAX
Dusminguet: „Go!“ (Virgin)Amparanoia: „Enchilao“ (EMI)