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Archiv-Artikel

zahl der woche Die WTO hinkt ihrem Zeitplan hinterher

Handelsrunde mit Hindernissen

Bis 2005 soll die laufende Welthandelsrunde abgeschlossen sein – doch das wird immer unwahrscheinlicher. Vergangene Woche ließ die Welthandelsorganisation (WTO) erneut eine Frist verstreichen, ohne dass es zu einer Eigung gekommen wäre. Dabei geht es um eine erste Einigung über die Zollsenkung für Industriegüter. Sie hätte bis Ende Mai vorliegen sollen.

Grund für die Verzögerung: Die Europäische Union ärgert sich über einen Vorschlag von Pierre-Louis Girard, dem Vorsitzenden der in diesem Falle zuständigen Gatt-Kommission. Beim Gatt (General Agreement on Tariffs and Trade) geht es um die Frage, wie weit die Länder ihre Spitzen- und Durchschnittszölle senken sollen und welche Ausnahmen es für Entwicklungsländer gibt. Unter das Gatt fallen 80 Prozent aller Handelsgüter, auch verarbeitete Agrarprodukte und Fisch gehören dazu.

Girard plädierte für folgenden Vorschlag: Der jetzt gültige Durchschnittszoll jeden Landes wird mit einem Koeffizienten kleiner null multipliziert. Als Ergebnis erhält man das Niveau, auf das der Zoll gesenkt werden muss. Problem: Länder mit hohen Zöllen werden bevorzugt – etwa Brasilien oder Indien. Gerade diese beiden WTO-Mitglieder gelten als harte Nüsse: Sie könnten die Handelsrunde platzen lassen, wenn die EU ihren Wünschen nicht entgegenkommt.

Die EU hat ihre Zölle bereits vergleichsweise stark gesenkt und fürchtet Benachteiligung. Also macht sich Brüssel für einen Kompromiss stark: Alle Länder sollen sich auf einen allgemeinen Spitzenzoll von 15 Prozent einigen. Gleichzeitig sollen die Zölle für Textilien und Schuhe in Richtung null gesenkt werden. Derzeit liegen sie in den EU und in den USA noch bei über 20 Prozent. Davon würden Länder wie Indien, Pakistan und China profitieren.

Bereits im Februar und März hielten die Mitgliedsländer sich nicht an ihren selbst gesteckten Zeitplan. Im Februar schafften es die EU-Mitglieder nicht, eine gemeinsame Position zum Agrarabkommen zu formulieren. Und Ende März hätten die Europäer ihre Angebote im Handel mit Dienstleistungen am Sitz der WTO in Genf vorlegen müssen – doch auch diese Frist wurde verpasst. In einigen Ländern hatten sich die Parlamente zu Wort gemeldet und „Bedenken“ geäußert.

Eine neue Frist für die gemeinsame Gatt-Position haben sich die WTO-Länder zwar nicht gesetzt, doch es eilt. Denn spätestens beim Welthandelstreffen in Cancún Mitte September soll ein Gatt-Vorschlag fertig sein. KATHARINA KOUFEN