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Archiv-Artikel

zahl der woche Auch Österreich bekommt eine Steuerreform – für die Konzerne und den Finanzminister

Beschert die österreichische Regierung ihren Steuerzahlern „die größte Entlastung, die es in der Zweiten Republik jemals gegeben hat: fair und sozial gerecht“, wie ÖVP-Fraktionschef Wilhelm Molterer pries? Oder vielmehr die eigene Bankrotterklärung, da man mit der Steuerreform inklusive Absenkung der Körperschaftsteuer auf 25 Prozent neue Budgetlöcher aufreißt, ohne Arbeitsplätze zu schaffen, wie Grünen-Chef Alexander Van der Bellen ätzte?

Was die am Donnerstag im Nationalrat zu Wien mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossene Reform tatsächlich bringt, werden normale ÖsterreicherInnen ab Januar 2005 an ihrem Lohnstreifen oder Kontostand ablesen können. Für die Unternehmer dagegen fiel die Reduktion der Körperschaftsteuer von 34 auf 25 Prozent sogar besser aus, als die Industriekapitäne zu fordern gewagt hatten.

Hier lässt wohl die slowakische Flat Tax grüßen. Das Steuerparadies Bratislava liegt nur einen Steinwurf östlich von Wien. Gut sieht es auch für Kleinstverdiener aus, die weniger als 15.770 Euro jährlich einnehmen; sie werden keine Lohnsteuer mehr zahlen. Wer mehr verdient, wird mit jährlich 130 bis 720 Euro entlastet. Der Spitzensteuersatz bleibt bei 50 Prozent. Das Reformpaket soll 2,53 Milliarden Euro kosten und das Haushaltsdefizit im nächsten Jahr auf mehr als 1,5 Prozent hochtreiben.

Vor allem den Grünen fehlen allerdinsg die Beschäftigungsimpulse.Die Plenardebatte brachte denn auch den erwarteten Schlagabtausch. Finanzminister Karl-Heinz Grasser lobte sein Werk als „substanzielle Entlastung“ und „Turbo für Wachstum und Beschäftigung“, SPÖ-Fraktionssprecher Josef Cap geißelte planmäßig diese „Selbstloborgie“ und überließ die Detailkritik seinem Budgetsprecher Christoph Matznetter. Dieser warf der Regierung vor, die Konzerne zu entlasten und die Klein- und Mittelbetriebe, die in Österreich den Löwenanteil der Wirtschaftsleistung erbringen, zu vernachlässigen. Der Dritte Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn (FPÖ), selbst ein millionenschwerer Papierindustrieller, warf der Opposition ideologische Verblendung vor und verwies auf Deutschland, wo Rot-Grün die Menschen schröpfe, ohne Arbeitsplätze zu schaffen.

Die von Finanzminister Karl-Heinz Grasser ursprünglich geplante Steueramnestie wurde wegen des Widerstands der FPÖ und von Teilen der ÖVP wieder gestrichen. Dafür wurde die Verjährungsfrist für Abgabenhinterziehung von zehn auf sieben Jahre verkürzt. Außerdem beginnt sie nicht mehr neu zu laufen, wenn die Finanzbehörden tätig werden. Davon könnte Grasser selbst profitieren, wenn eine derzeit laufende Untersuchung ergibt, dass er eine Spende, mit der die Industriellenvereinigung seine Homepage sponserte, versteuern hätte müssen.

RALF LEONHARD