zahl der woche : Kleinkrieg unter Internet-Verkäufern
550 Euro
Wissen Sie eigentlich, was Widerrufsrecht heißt? Wie sieht’s aus mit dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb? Und was muss alles in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen stehen? Sie wissen es nicht? Dann lassen Sie es lieber mit dem Online-Verkauf. Sonst kriegen Sie Ärger und hohe Rechnungen.
Immer mehr eBay-Versteigerer und Online-Verkäufer, so die Interessengemeinschaft Abmahnwelle (www.abmahnwelle.de), kriegen unerwünschte Post von den Rechtsanwälten ihrer Konkurrenten. Unversehens flattert eine Abmahnung ins Haus. Meistens wegen Bagatellverstößen gegen die oft verwirrenden Vorschriften um Online-Geschäfte. Bagatelle oder nicht: Die Abmahnungen kosten in der Regel zwischen 450 und 1.500 Euro – um die Anwaltskosten zu decken, natürlich. Und um die Konkurrenz zu verunsichern.
„Verstöße sind eigentlich leicht zu finden“, sagt Roland C. Vogt vm deutschen Anwaltsverein. „Es gibt so viele Vorschriften, und nur die wenigsten kennen sich aus. Online-Verkäufer sind eine ideale Zielgruppe.“
Laut Abmahnwelle liegt der Verdacht nahe, dass einige Anwälte eine Geschäftsnische entdeckt haben: Ein Rechtsanwalt recherchiert im Internet bei eBay-Versteigerern oder Online-Shops fehlende Hinweise auf die Käuferrechte oder mangelhafte AGBs oder Ähnliches, schickt im Namen eines Mandanten in derselben Internetbranche eine Reihe von Abmahnungen hinaus. Dann wartet er und hofft, dass eine gewisse Prozentzahl von Empfängern die Abmahnungen bezahlt. Einfaches Geld.
„Serienabmahnungen“ heißt das Vorgehen und ist eigentlich illegal – passiert aber immer wieder. Ein Hobbybuchverkäufer, der bei eBay immer wieder etwas anbietet, wurde zum Beispiel letzte Woche im Höhe von 550 Euro abgemahnt. Angeblich hatte er das Widerrufsrecht in seinem Angebot unausführlich beschrieben. Statt zu bezahlen, hat er auch im Web recherchiert – und fand ruckzuck 20 andere eBay-Verkäufer, die vom gleichen Rechtsanwalt im Namen des gleichen Mandanten eine Abmahnung in gleicher Höhe bekommen haben. 20 mal 550 Euro wäre ein schönes Sümmchen für einen kleinen Serienbrief. Nun will der eBay-Verkäufer die Anwaltskanzlei anzeigen.
Die meisten Abgemahnten haben rechtlich gesehen tatsächlich einen Fehler begangen. Oft sind es Privatpersonen, die nur ab und zu was per eBay verkaufen und die Rechtslage nicht kennen. Aber auch bei solchen Fehlern sieht Jutta Rossenbach von Abmahnwelle keinen Anlass für einen teuren Rechtsanwaltsbrief. „Deswegen gibt es doch die ganze Kommunikationstechnik“, sagt sie. „Man kann persönlich in Kontakt kommen, ohne Rechtsanwalt.“ CHARLES HOWLEY