wm gucken mit : … Iranern in Hamburg
Im „Broukers“ werden die Stühle vor der Leinwand zusammengerückt. „So voll ist es sonst nicht“, sagt Roszhanak Goydarzi. Die junge Iranerin kellnert in dem Restaurant hinterm Hauptbahnhof. Von der Wand lächelt Marylin Monroe. Es gibt Pizzen, Pasta, Grillgerichte. Und Pay-TV.
Rund hundert Iraner haben sich zum Spiel gegen Angola auf die von Persern geleitete Gaststätte besonnen. Kopftücher sucht man hier vergeblich. Lidschatten findet man dafür umso häufiger. Die Damen werden mit Handkuss begrüßt. Man unterhält sich bei Bier oder Café Latte. Vor Anpfiff werden Chips, Trillerpfeifen und grün-weiße Carlsberg-Klappluftwürste verteilt, die den iranischen Nationalfarben relativ nahe kommen.
„Was willst du wissen – wir verlieren sowieso“, sagt Huttan Behjat-Mohammadi lachend. Der angehende Psychologe ist vor 18 Jahren nach Hamburg gekommen, als der erste Golfkrieg tobte. Damals schon schwärmte er für Rummenigge. Viel Hoffnung für die eigene Elf hat er nicht. „Die stehen unter einem enormen psychischen Druck“, versucht er den schlechten Auftritt des dreimaligen Asienmeisters in den ersten beiden Spielen zu erklären. Der Atomkonflikt, die Debatte um den Ausschluss des Teams von der WM, der angekündigte Besuch des Präsidenten: Fußball sei eben Psychologie. Und insofern irgendwie auch Politik, meint Behjat-Mohammadi. „Die haben nicht mit Herz gespielt, das hat man gemerkt“, beklagt er. Schade, denn der Fußball sei Volkssport im Iran. Und ein Einzug ins Achtel- oder gar Viertelfinale hätte in jedem Fall ungeheure Menschenmengen auf die Straßen in Teheran, ja im ganzen Land getrieben. Das hätte viel zu einem neuen Selbstbewusstsein des Volkes beitragen können, sagt der Student. Denn der Fußball verkörpere in jedem Fall den modernen Iran. „Viele Spieler haben lange Haare – die wurden einem früher noch von der „Sittenpolizei“ zwangsrasiert.“
In der ersten Halbzeit verpasst die Elf aus dem Iran eine Chance nach der anderen. Ihre Landsleute im „Broukers“ nehmen es gelassen. Klar fiebert man mit, aber die Stimmung ist gelöst. Die WM ist vorbei, das war nach zwei Niederlagen klar. „Wir wollen uns hier nur würdig verabschieden“, sagt Mohammed Husseini, der auch zum ersten Mal in dem Restaurant ist. „Sonst sehe ich die Spiele zu Hause oder in der Firma.“ Husseini lebt seit 30 Jahren in Hamburg. Seine Familie handelt seit drei Generationen mit Teppichen. Die Bedeutung des Ballsports für sein Land schätzt auch er hoch ein. Aber ob das auch die Politik beeinflussen kann? „Eher nein“, glaubt Husseini. Fürs Achtelfinale hätte die Regierung zwar ein paar arbeitsfreie Tage zugelassen. Danach hätte jeder wieder sehen müssen, dass er seine Existenz sichert. „Sport schafft Harmonie“, glaubt Husseini. Das Ausgleichstor zum 1:1 kann er noch bejubeln. Mathias Becker