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Archiv-Artikel

willi reimann, harter hund CLEVER MECKERN MIT WILLI

Jobs mit Perspektive sind rar in diesen Tagen bei Eintracht Braunschweig. Nicht mal einen Monat nach Amtsantritt musste Đurađ Vasić letzte Woche seinen Trainerstuhl räumen. Seine Bilanz lieferte wahrlich keine überzeugenden Argumente gegen den drohenden Abstieg: Fünf Spiele, fünf Niederlagen, 2:13 Tore. Unter Vorgänger Michael Krüger hatte sich die Mannschaft immerhin noch zu drei Unentschieden durchgerungen. Den bis dato einzigen Saisonsieg feierte man aber mit Interimscoach Willi Kronhardt – der war genau zehn Tage im Amt.

Nun soll es also Willi Reimann richten. Typ Rettungsanker, Typ „harter Hund“, der Freund aller Schlusslichter, der Feind aller Schiedsrichter. FIFA-Referee Wolf-Dieter Ahlenfelder nannte ihn einst einen „Bekloppten“, dem nur ein Psychologe helfen könne. Nachdem Willi Reimann in der Saison 2003/2004 gegen einen Schiedsrichter handgreiflich wurde, verlor Ahlenfelder vor Fernsehkameras jegliche Contenance: „Wenn der Reimann mich so angefasst hätte, dann hätte ich ihm eine gepflastert. Der hätte eine zurückgekriegt.“

Reimann wurde damals für fünf Spiele auf die Tribüne verbannt und zu einer Geldstrafe von 25.000 Euro verurteilt. Kürzlich sagte der 56-jährige Trainer reumütig, er habe aus Fehlern gelernt, würde heute vieles anders machen. Und tatsächlich, die Meckertiraden übernehmen jetzt die Spieler: Am Freitagabend gegen den MSV Duisburg befand sich Reimanns Elf lange Zeit auf der Verliererstraße. Nach 80 Minuten hieß es immer noch 0:1. Dann fiel der Braunschweiger Benjamin Siegert nach einem Zweikampf im Strafraum, aber Schiedsrichter Perls Pfeife blieb stumm. Siegert, ganz Reimann, ließ sich so nicht abspeisen: Der Braunschweiger fuchtelte mit den Armen, guckte erzürnt und reklamierte so lange, bis ihn sein Gegenspieler wegschubste.

Dieser bekam dafür die gelbe Karte, und Braunschweig bekam unverhofft doch noch einen Elfmeter zugesprochen – Tor, 1:1, der erste Punkt nach sechs Spielen. Aufbruchsstimmung sieht sicherlich anders aus, doch die Hoffnung ist zurückgekehrt nach Braunschweig. Dank Willi, dank cleverem Meckern. ANDREAS BOCK