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Archiv-Artikel

wie bücher geschrieben werden von EUGEN EGNER

Als Buchautor werde ich manchmal gefragt, woher ich denn vorher wissen könne, was später in einem Buch, das ich noch gar nicht geschrieben habe, drinstehen soll. Ob meine Mutter mir das vielleicht sage. Die meisten Menschen stellen sich nämlich vor, dass ich immer mit meinem Schreibzeug unter dem Tisch sitze, an dem meine Mutter die Wäsche bügelt, und sie völlig ahnungslos frage: „Was soll ich denn mal schreiben?“ Nein, pflege ich zu antworten, so verhält es sich absolut nicht.

Wie es sich denn dann verhalte, will man wissen. Und ich erwidere: das jeweilige Thema wird mir vom Verlag mitgeteilt. Aber damit gibt man sich ja bei den Fragenden nicht zufrieden, sondern verlangt zu erfahren, wer sich das Thema wohl ausdenke. Der Verleger? Oder doch meine Mutter? Um es ein für alle Mal klarzustellen: Das Thema des Buches denkt sich der Aufsichtsrat der Druckerei aus, nicht meine Mutter und auch nicht der Nachrichtendienst. Und es sind immer andere Themen, oft jedenfalls. Das ist selbstverständlich schlimm, denn man weiß nie, was kommt.

Manchmal haken an dieser Stelle Schlauberger mit dem Vorschlag ein, ich könnte doch einen Agenten damit beauftragen, die Themen auszuspionieren. Dazu kann ich aber nur sagen: Viel zu teuer. Und außerdem würde der Agent das Buch dann ja auch selbst schreiben. Und selbst abkassieren.

Zur Illustration des Vorstehenden werde ich den Lesern nun einmal zeigen, welche Aufgabe der Aufsichtsrat mir für das nächste Buch gestellt hat. Aus folgender Personalliste soll ich einen Roman machen:

„Zwei Pferde mit halbem Reiter, unvollständig; Verletzter, extrem gutmütig; Matrose, Gewehr präsentierend (Gewehr fehlt); neun Albino-Blitzmädel, im Hemd; SA-Arbeitsmann, eklig; Kofferträger, brünftig, aber gerecht (Koffer nicht vorhanden); Idiot, ganztägig; Schwein, völlig wahnsinnig.“

Das sind jedoch nicht alle, die Hauptfigur fehlt noch: ein Arzt, der aus Stuhlproben die Zukunft liest. Der hat einige Probleme und schreit immer, der Nachrichtendienst wolle seine Unterhosen filmen. Wie Sie höchstwahrscheinlich längst vermuten, wird es ein Kriegsroman für Leute unter einssechzig Höhe.

Auch den ersten Satz des Romans hat mir die Druckerei vorgegeben. Er lautet: „Winter 1843. Die Töchter von Pastor Göbel hatten soeben die Raumfahrt überwunden.“

Sie werden mich fragen, wie es dann weitergeht? Als Nächstes wird dafür gesorgt, dass ich auf keinen Fall Ruhe zum Schreiben habe, denn das ist das Wichtigste überhaupt. Keine Niedertracht ist dem Universum zu abwegig, um den Arbeitstag des Autors mit Störungen zu durchsetzen. Bei Thomas Mann war es ja auch so, und bei Picasso. Die sind nie zum Schreiben gekommen, weil immer irgendwas war. Meist mussten sie einkaufen oder staubsaugen oder abwaschen. Picassos Frau konnte es überhaupt nicht leiden, wenn er schrieb. Sie konnte es auch nicht leiden, wenn Thomas Mann schrieb. Von Thomas Mann weiß man ja, dass er jedes Mal, wenn er Picassos Frau nahen hörte, schnell das Schreibzeug versteckte und sich hinstellte, als ob nichts wäre. Ich also halte es für undurchführbar, ein Buch zu schreiben.