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Archiv-Artikel

wahl in südkorea Eine neue Kulturrevolution

Die Wahlen in Südkorea haben einen klaren Sieger: die Präsident Roh Moo Hyun nahe stehende Uri-Partei. Sie kann laut Prognosen wenigstens mit einer Verdreifachung ihrer Mandate rechnen und die absolute Mehrheit erringen. Damit stärken Südkoreas Wähler dem Präsidenten den Rücken, obwohl das Parlament ihn erst vor einem Monat des Amtes enthob. Offenbar trieb gerade dieses dubiose Verfahren große Teile der Bevölkerung auf Rohs Seite, obwohl er bis dahin keine sehr gute Figur gemacht hatte. Die Mehrheit wollte eine Entmachtung des liberalen Roh durch konservative und oft korrupte Parlamentarier nicht hinnehmen.

KOMMENTAR VON SVEN HANSEN

Der Erdrutschsieg der erst wenige Monate alten Uri-Partei zeigt Südkoreas gesellschaftlichen Wandel. Uri und Präsident Roh stehen für die junge Generation der bis zu 40-Jährigen. Die wurde im Wirtschaftsboom groß und erkämpfte die Demokratie – gegen die von Koreakrieg und antikommunistischer Militärdiktatur geprägte alte Generation.

Die Uri-Partei siegte, obwohl erst zu Wochenbeginn der Uri-Vorsitzende Chung Dong Young von seiner Kandidatur zurücktreten musste. Er hatte Senioren empfohlen, sich am Wahltag auszuruhen und Jüngeren die Wahlen zu überlassen. Im konfuzianisch geprägten Korea, wo Respekt gegenüber Alten als hohe Tugend gilt, schien dies unverzeihlich. Dass sich jetzt die junge Generation dennoch überraschend deutlich durchsetzte, ist eine Kulturrevolution. Erstmals in Südkoreas Geschichte verhalfen die Wähler liberalen Kräften zu einer Parlamentsmehrheit.

Ging es im Wahlkampf vor allem um die Person des Präsidenten, so wird es nun um Inhalte gehen. Roh und Uri stehen für eine Politik, die besonders die Vereinigten Staaten wenig erfreut. Denn der 2002 auf einer Welle US-kritischer Proteste gewählte Roh will mehr Eigenständigkeit gegenüber Washington und eine Entspannung mit Nordkorea. An diesem Programm ändert auch Rohs Bush-freundliche Irakpolitik nichts.

Klar ist: Die USA können nicht mehr auf Seouls Kadavergehorsam zählen, sondern müssen mit einer selbstbewussteren und nationalistischeren Politik rechnen. Wie bisher dürfte Rohs Politik ein Stück weit unberechenbar bleiben, was an der relativen Unerfahrenheit seiner Generation und ihrem größeren Populismus liegt. Für Südkoreas Demokratie ist Uris Sieg dennoch ein großer Schritt nach vorn.

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