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Archiv-Artikel

vorlauf Frühstart in den 17. Juni

Von BRA

„Tage des Sturms“ (ARD, 20.15 Uhr)

Große Ereignisse werfen bekanntlich lange Schatten voraus – da macht auch der 17. Juni 1953 keine Ausnahme. Schließlich will sich bei ARD und ZDF niemand von der Fernsehgeschichte bestrafen lassen, weil er mit der Aufbereitung des 50. Gedenktages zu spät kommt. Bevor Guido Knopp im Verbund mit Hans-Christoph Blumenberg mit seiner Doku-Soap „Der Aufstand“ (3. 6., ZDF) die definitive Deutungshoheit über das Ereignis erlangen kann, schickt man in der ARD vorsorglich gleich zwei TV-Filme im Wonnemonat Mai ins Rennen. Und so ziehen, bevor Peter Keglevic mit seinem Melodram die „Zwei Tage Hoffnung“ (ARD, 14. 5., 20.15 Uhr) noch einmal anbrechen lässt, heute „Tage des Sturms“ über Bitterfeld auf.

Erfreulich unaufgeregt und unspektakuär wird hier nicht proletarisches Heldentum unter den Bedingungen des Kalten Krieges glorifiziert, sondern ein Mikrokosmos beobachtet. In dessen Mittelpunkt Alfred und Bruno, zwei alte Recken der legendären Streiks in den 20er-Jahren, die sich in der Einheitspartei wiedergefunden haben. Als Stalin starb, träumte der Ex-SPDler Alfred noch vom Vorsitz des Veteranenkomitees und Stasi-Oberst Bruno vom disziplinierten Aufbau des Sozialismus. Mitte Juni sind die Illusionen zerplatzt, weil sich die Realität längst in den Alltag gedrängt hat. Alfreds Schwiegersohn hat sich in den Streikrat wählen lassen, auf der anderen Seite der Barrikade will Bruno mit allen Mitteln die Staatsmacht verteidigen und setzt zuletzt verzweifelt auf die Roten Armee …

Um die beiden zornigen alten Männer hat Erich Loest ein überzeugendes wie einfühlsames Drehbuch geschrieben, das klug Zwischentöne konturiert anstatt Schwarzweißmalerei zu betreiben. So entwickelt sich dieser historische Rückblick nicht zum drögen Geschichtsunterricht, sondern spürt psychologisch und atmosphärisch dicht die Motive und Denkweisen jener Zeit auf und macht sie nachvollziehbar. Das gelingt nicht zuletzt deshalb, weil diese „Tage des Sturms“ ihr (fiktives) Figurentableau und die Konflikte jener Zeit ernst nehmen und nicht mit dem Gestus der Spätgeborenen gültige Wahrheiten über Bitterfeld verbreiten wollen. BRA