vorlauf : Das Beste kommt zum Schluss
„Zum Heulen schön“ (So., 20.45 Uhr, Arte)
1998 war das Jahr des Guildo Horn – und er kam einer doppelten Heimsuchung gleich. Einerseits fühlten sich Menschen vom Schlage Dieter Thomas Hecks unangenehm ironisiert, andererseits mussten auf Hochkultur getrimmte Intellektuelle um die Hegemonie über die Feuilletons fürchten. War Schlager bis dahin eine Disziplin für bedauernswerte Hausfrauen und Lkw-Fahrer, avancierte die mächtigste Sorte Partymusik nun zum Markenzeichen von postmodernen Zeitgeistmenschen. Arte widmet diesem Phänomen nun einen sehr, sehr langen Themenabend. Und leider fängt dieser mit dem australischen Film „Priscilla – Königin der Wüste“ an, denn der hätte besser zum Phänomen Abba gepasst. Zum Schlager hat der Film leider nicht viel zu sagen. Das Feature „Schuld war nur der Bossa nova“ (22.25 Uhr) arbeitet sich dafür umso verbissener daran ab, dass das Volk jenseits dessen, was gewöhnlich elaborierte Menschen wahrnehmen, einfach auf solche Musik steht – weil sie einfach und grandios in einem ist, Gefühle bündelt und trotzdem Spielraum für jeden Individualakt lässt. Alles in allem eine schöne Erinnerung an die frühen Musikfilme mit vielen Schlagern, die das innere Kino unserer Kindheit (wenn sie denn in den Sechzigern verlief) anschalten. Das anschließende Porträt (23.50 Uhr) zeigt die Welt der beiden Belgier Marcel de Keukeleire und Jean van Loo, beide verantwortlich für Schlager wie „Born To Be Alive“ oder den unerträglichen „Entensong“. Olivier Monssens ergründet ihre Geschichte, nachdem er auf einem Flohmarkt eine Kiste mit einem Haufen Singels entdeckt hatte. Nach Mitternacht schließlich (0.40 Uhr) kommt der einzige Entertainer Deutschlands zu Wort, der quasi Edition-Suhrkamp-artig das Feld der populären Unterhaltungskultur durchschritten hat: Götz Alsmann, der als akribischer Sachensucher jenseits der Zeitgeistpfade seiner Jugend begann. Zu sehen ist er in der Kölner Szenekneipe „Weißer Holunder“ – und seine Gäste heißen u. a. Teddy Parker sowie Alice und Ellen Kessler. Ein tolles Kompaktprogramm sozusagen – viele Hits in wenigen Stunden.
JAF