vor ort : KATHARINA HEIMEIER über die anvisierte Ruhrgebietsflucht der Stadt Haltern am See
Die Flucht aus dem Ruhrgebiet nimmt eine neue Dimension an: Eine ganze Stadt will nicht mehr zum Ruhrgebiet, sondern zum Münsterland gehören. In Haltern am See wittert man die Chance mit der Neustrukturierung der Regierungsbezirke aus dem Ruhrgebiets-Kreis Recklinghausen in den münsterländischen Kreis Coesfeld zu wechseln. Noch aber will man es sich nicht mit den Recklinghäusern verscherzen und hält sich bedeckt. „Über einen Kreiswechsel hat unser Landtagsabgeordneter zwar laut nachgedacht, aber es gibt keine konkreten Pläne“, sagt Heinz Kallhoff, Sprecher der 38.000-Einwohner-Stadt.
Vorteile aber fallen den Halternern viele ein: „Recklinghausen hat die höchste Kreisumlage Nordrhein-Westfalens, im Kreis Coesfeld würden wir nur rund 30 Prozent davon zahlen – eine Riesen-Ersparnis also“, sagt Kallhoff. Auch gefühlsmäßig passt das Münsterland den Halternern besser. „Wir fühlen uns eher dem Münsterland zugehörig, das wie wir ländlich geprägt ist.“
Mit dem Vorstoß in Richtung Münsterland habe man das Schweigen all jener Gemeinden gebrochen, die sich in ihren jeweiligen Kreisen fremd fühlten. „Viele Städte sind mit ihrer Kreiszugehörigkeit nicht einverstanden“, sagt Kallhoff. Die Wunden der Kommunalreform von 1975 seien noch nicht verheilt. Ein Kreiswechsel sei aber nur mit einem neuen Gesetz möglich.
Im Kreis Coesfeld weiß man nicht so richtig, ob man sich über den möglichen Zuwachs freuen soll. „Ich kann nur sagen, dass wir dann statt elf Städten und Gemeinden zwölf hätten“, sagt Sprecherin Sandra Wilde. Der Kreistag könne zu der Aufnahme Halterns ohnehin nur eine Stellungnahme abgeben, entscheiden müssten die Aufsichtsbehörden.
Freude in Coesfeld – Ärger in Recklinghausen? Mitnichten. Sollten die Recklinghäuser beleidigt sein, so tragen sie es zumindest nicht an die Öffentlichkeit. „Wir haben beschlossen, nichts dazu zu sagen. Wir kennen keine offiziellen Verlautbarungen der Stadt Haltern und warum sollten wir das dann kommentieren“, sagt Dietmar Schramm aus der Pressestelle.
Derjenige, der die Diskussion angestoßen haben soll, sieht inzwischen Probleme der praktischen Umsetzung: „Wir bräuchten ja beispielsweise auch neue Nummernschilder für alle Autos“, sagt der Landtagsabgeordnete Josef Hovenjürgen (CDU). Aber finanziell sei eine „Auskreisung“ schon attraktiv. Dennoch denkt er in größeren Zusammenhängen. Der ganze Kreis Recklinghausen sollte diskutieren und seine Einwohner befragen, wo sie sich nach der Verwaltungsstrukturreform besser aufgehoben fühlen – im Regierungsbezirk Münster oder im Regierungsbezirk Ruhrgebiet.
Dies gelte im Übrigen auch für andere Randbezirke wie die kreisfreie Stadt Hamm. Denn mit der von CDU und FDP geplanten Reform sollen aus fünf Regierungsbezirken drei werden und das Ruhrgebiet soll eine Bezirksregierung bekommen. „Von meinem Gefühl her gehören wir ins Münsterland. Da wären wir Gleicher unter Gleichen. Im Konzert der großen Ruhrgebietsstädte hätten wir wenig zu sagen.“