vor ort : KATHARINA HEIMEIER über eine folgenreiche Knöllchen-Orgie von zwei Aachener Polizisten
Die Nächte vom 22. und 23. November müssen ruhig gewesen sein auf dem Lousberg in Aachen. So ruhig, dass zwei Polizisten die Zeit hatten, loszuziehen und massenweise Knöllchen zu verteilen. In den beiden Nächten klemmten sie Strafzettel hinter die Scheibenwischer von insgesamt 88 Autos, die entgegen der Fahrtrichtung geparkt waren. Kostenpunkt 15 Euro.
Die Nacht-und-Nebel-Aktion der zwei Beamten löste einen Sturm der Entrüstung in dem Viertel aus, in dem Aachens Besserverdienende wohnen. Denn dort gibt es zwar schick sanierte Altbauten mit hohen Decken, aber keine Parkplätze. Auch die Lokalpresse nahm sich des Themas an. Von zwei Beamten, die Strafzettel geschrieben hätten, „was die Kullis hergaben“, einer möglicherweise „subversiven Idee“, einer „Knöllchenorgie“ gar war die Rede. Sogar der Aachener Landtagsabgeordnete Rolf Einmahl (CDU) schaltete sich ein und verfasste einen Brief an Polizeipräsident Klaus Oelze. Angesichts dieser massiven Kritik lenkte der ein. Er annullierte die Knöllchen im Wert von immerhin 1.320 Euro – offiziell weil man die Anwohner aus Gründen des Vertrauensschutzes hätte vorwarnen müssen.
Keine Rückendeckung des Chefs, Kritik von der Öffentlichkeit und Häme der Kollegen – die beiden Polizisten gerieten zwischen die Fronten. Da fühlte sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zur Ehrenrettung des unglücklichen Duos berufen. Die Schuld liege bei Innenminister Ingo Wolf (FDP). Der hatte die Polizei schon im Frühjahr 2006 zu einer härteren Gangart aufgerufen. „Auch auf relativ geringe Rechts- und Ordnungsverstöße erfolgt eine wahrnehmbare polizeiliche Reaktion“, heißt es in einem Erlass des Ministeriums, den die Gewerkschafter zitierten.
Ende März vergangenen Jahres gab Wolf die Parole „mit Leistungsvergleich gegen den Unfall-Tod“ aus. Rankings über die Zahl der Verunglückten pro 100.000 Einwohner und polizeiliche Maßnahmen wie Verwarnungsgelder und Strafanzeigen sollten den 49 Polizeibehörden des Landes ermöglichen, „ihre eigenen Leistungen besser einschätzen“ zu können, hieß es damals in einer Pressemitteilung.
Solche Vergleichslisten seien fragwürdig, sagt Wilhelm Jensch, Vorsitzender der GdP-Kreisgruppe Aachen. Unter den Polizisten im Land entwickelten sich die Statistiken zu „Knöllchen-Bundesliga-Tabellen“ – und Aachen gehörte zu den Schlusslichtern. Da liegt die Vermutung nahe, dass die zwei Beamten die Statistik ein bisschen aufpolieren wollten. Im Aachener Polizeipräsidium will man davon nichts hören. Die Polizei in Aachen gehe verstärkt gegen die Hauptursachen von tödlichen Unfällen vor, teilte Polizeipräsident Oelze mit. Er habe bewusst keine Vorgabe gemacht, „möglichst viele Anzeigen zu schreiben“.
Die Beamten hätten in einem persönlichen Gespräch mit ihm Missverständnisse eingeräumt. Ärger sollen sie deshalb nicht bekommen. Der Polizeipräsident aber sieht sich inzwischen einem aufgebrachten Aachener Mob gegenüber, der Geld für längst überwiesene Ordnungswidrigkeiten zurück verlangt.