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Archiv-Artikel

von wegen neue religiosität Der Spaß des Atheisten

Wie der oft beschworene „Dialog der Religionen“ aussieht, war unlängst bei Maischberger zu besichtigen: Christ, Jude, Muslim und Buddhist redeten aneinander vorbei. Kein Wunder: Wenn sich Repräsentanten geschlossener Denksysteme begegnen, ist das Ergebnis bestenfalls ein pittoreskes Autisten-Kränzchen.

Bei dem Date zweier älterer Herren am Donnerstagabend im Foyer des Gorki-Theaters waren die Voraussetzungen nicht so schlecht. Im Rahmen des „Glauben“-Schwerpunkts der Spielzeit sollten Berlins Kardinal Georg Sterzinsky und der französische Publizist Alfred Grosser die Frage „Wie viel Glauben braucht der Mensch?“ erörtern. Dabei bewies der eingefleischte Atheist Grosser – Kind jüdischer Eltern und mit dem Katholizismus wohl vertraut – Bibelfestigkeit und trotz seiner 80 Lebensjahre ein kindliches Gemüt.

Dem Kardinal, unlängst noch Konklave-Teilnehmer, war anzumerken, dass er fröhliche Respektlosigkeit nicht gerade gewohnt ist. Immer wenn er anhub, die Tiefe und Weite des christlichen Glaubens sonor auszuloten, zappelte Grosser schon grinsend und mit funkelnden Augen auf seinem Stuhl, um die nächste Breitseite abzufeuern. Dass Atheismus Spaß machen kann – wer hätte das gedacht in Zeiten des „Santo subito“? Theodizee, Hexenverbrennung, Sexualmoral – Grosser zog alle religions- und kirchenkritischen Register und brachte den von so viel Quecksilbrigkeit genervten Kardinal sogar dazu, die Auferstehung des Fleisches zu leugnen. Kam Sterzinsky zum Zuge, sprach er oft vom „Rätsel“, dem „Unfasslichen“ oder davon, dass Glaubensaussagen rational nachvollziehbar zu sein haben, „auch wenn man sie nicht versteht“.

Als es am Ende wieder um Werte ging, lagen Glauben und Unglauben doch nicht allzu weit auseinander. Für Grosser ein klarer Fall: Die Kirche, deren Gott einst „seine Feinde zermalmte“, und er, der Humanist, seien sich in den vergangenen Dekaden schon viel näher gekommen. Die Kirche ihm oder er der Kirche? Breites Grinsen. „Die Kirche mir, natürlich.“ CLAUDIUS PRÖSSER