village voice : Über den Fluss und in die Wälder: Contrivas neues Album „If You Had Stayed“
Die Stille, die wir meinen
Ein Winter auf dem Land kann so schön still sein. Draußen schmiegt sich jeder einzelne Grashalm in zentimeterdickes Eis, das gerade vom Himmel gefallen ist. In der Ferne ruht ein von Wäldern gesäumter und Bächen durchflossener Mittelgebirgszug. Dörfer tragen Namen wie Eilum, Hachum und Lucklum. Ganz still wird es schließlich mit Contrivas neuem Album „If You Had Stayed“, selbst wenn es noch so laut durchs Wohnzimmer dröhnt.
Zugegeben: Wer das zweite reguläre Contriva-Album in diese Idylle platziert, scheint bedingungslos den Kontextproduktionen der Band zu folgen. Denn Contriva halten auch dieses Mal bewusst metropolenfremde Bilder und Slogans parat. Mehr als zwei Drittel des Covers sind von Wasser bedeckt. Der Himmel ist nur dazu da, dem Bild zu einer Graufläche zu verhelfen. Im Pressefoto stehen die vier MusikerInnen mit dem Rücken zum Betrachter auf einem Acker herum. Die Gitarren hängen schlaff an ihren Körpern.
Es sind diese Bilder, mit denen Contriva am liebsten arbeiten, zumal sie vollständig auf Songtexte verzichten. Und es sind vor allem die Songtitel, die Hinweise auf mögliche Bedeutungen geben. Im Zusammenspiel mit der Musik aber wird klar: Contriva zeigen einem die Welt, indem sie das Unsichtbare und Ungesagte immer mitschwingen lassen.
Ein Beckenrand klappert, eine Akustikgitarre beginnt zu dominieren. Sie klingt traurig, doch nicht resignativ. Shaker schenken ihr Gelöstheit, der Bass schließlich spendet sogar Wärme. Man kann es „Thema“ nennen, was die Akustische von sich gibt, aber nie will sie sich auf Teufel komm raus ins Ohr haken. Von dieser über tausend Bedeutungsebenen gestreuten Zurückgenommenheit lebt das Album komplett. „Shadow“ heißt eine seiner sonnigsten Etüden, und in „Forget About Nightshifts“ mit seinem Bezug zum Broterwerb der städtischen Boheme zwitschern die Vögel.
Contriva kennen diese Nachtschichten – von ihrer Studioarbeit her, aber auch von ihren anderen Jobs bei befreundeten Bands wie Britta, Notwist oder Komëit. Gerade weil sie einen dicken Knotenpunkt in den Indie-Netzwerken dieser Stadt bilden, ist ihr Landbezug real. Contriva wollten Ruhe haben, weshalb große Teile von „If You Had Stayed“ in der Scheune von Schloss Bröllin in der Uckermark entstanden sind. Die Klausursituation hört man dem Album an: So kristallin klang Contrivas innere Ruhe noch nie.
CHRISTOPH BRAUN
Contriva: „If You Had Stayed“ (Lok/Monika/Efa)