unverbremt : Fußball-Macht
Wenn eine Fußball-Großmacht wie Real Madrid in der Stadt ist, gehört es schon fast zum guten Ton, einen Tag lang den selbigen anzugeben. Die Madrilenen brüllen schlicht „¡Ma-drid! ¡Ma-drid!“ und man weiß dann schon, was gemeint ist.
„¡Ma-drid!“ tönt es über den Domshof, „¡Ma-drid!“ bei Unser lieben Frauen, und aus der Böttcherstraße schallt es: „¡Ma-drid!“. Sie scheinen überall zu sein. Aber Moment mal: In der Böttcherstraße ist außer ein paar alten Damen niemand zu sehen. Woher wohl das Gegröle kommt? Ah, sie haben sich strategisch günstig vor der Handelskammer postiert. So dass man sie in alle Richtungen hört.
Bei näherem Hinsehen sind es eigentlich auch gar nicht so viele. Vielleicht zehn oder elf. Aber sie tanzen die ganze Zeit im Kreis, so dass es nach viel mehr aussieht. Und wenn sie gerade nicht „¡Ma-drid!“ brüllen, tröten sie mit ihren Drucklufthupen in die Luft, dass es klingt wie auf der Plaza Cibeles in der Rush-Hour.
Die meisten haben einen ziemlich dunklen Teint. Andalusier vielleicht? Einer spannt eine Spanien-Flagge mit aufgedruckter Stier-Silhouette über die Schultern. Wie das lebende Klischee. Dann ziehen sie weiter: Domshof, Unser lieben Frauen, Markt, als würden sie eine Liste abarbeiten. Plötzlich sagt einer zum anderen: „Ey, Alter, kuck ma hier …“ Bei näherem Hinhören spricht keiner von ihnen Spanisch. Manche haben einen starken Ruhrpott-Akzent, die meisten einen türkischen.
Ob sich so ein Weltclub am Ende Profi-Fans leistet? Das Geld hätten sie ja. JAN KAHLCKE