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Archiv-Artikel

unterm strich

Marathon ist Sport. Marathon-Lesen auch. Bisher war dies eher Werken wie James Joyce’ Ulysses vorbehalten, aber nun machen sich 500 Niederländer, unter ihnen viel Prominenz, an eine Marathon-Vorlesung der Bibel. Anlass ist die Vorstellung einer neuen Übersetzung in den Niederlanden am Mittwoch. Bei der offiziellen Vorstellung in Rotterdam will die niederländische Königin Beatrix das erste Exemplar entgegennehmen.

An den zehnjährigen Arbeiten waren 23 christliche Kirchen und Glaubensgemeinschaften beteiligt. Auch die katholische Kirche heißt die Übersetzung gut; eine Verwendung in der Liturgie lehnt sie jedoch ab. Die Neuübersetzung, ein Auftrag von protestantischen und katholischen Bibelstiftungen, erscheint in mehreren unterschiedlich ausgestatteten Ausgaben und auch auf CD-ROM.

Wenn auch Geistliche beider Konfessionen Kritik an der Neuübersetzung anmelden, so bleibt doch erstaunlich, wie gut die Bibel neuerdings als Kultur-Event funktioniert. Theater überschreiben ihre Spielpläne mit den Zehn Geboten (Kammerspiele München), nehmen die Bibel als Vorlage improvisierter Fortsetzungsabende (Gorki Theater Berlin), Kuratoren finden hier ihre Ausstellungsmotti (Hygienemuseum Dresden), Leserumfragen rücken das Buch an oberste Stelle. Ist Bibellesen ein neues Merkmal im Katalog der Distinktionen, für die Überwindung letzter Schranken? Die Label-Werdung der Bibel und warum sie so gut als Vehikel neuer Botschaften funktioniert, wird uns sicher noch weiter beschäftigen.

Auch heute fehlt nicht das Preisen und Loben: Der Schriftsteller Siegfried Lenz ist gestern mit dem neuen „Hannelore Greve Literaturpreis 2004“ geehrt worden. Im Hamburger Rathaus nahm er die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung entgegen.