unterm strich :
Zugegeben, er steht nicht ganz oben auf unserer Liste der Dinge, die dieses Jahr noch zu verrichten wären. Aber wenn wir ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt und den neuen Thomas Pynchon besprochen haben, ja dann vielleicht werden wir uns noch einmal darum kümmern, was mit Wolf Biermann geschehen soll. Schließlich ist er nun siebzig Jahre alt, lebt seit dreißig Jahren nicht mehr in der DDR – und harrt noch immer der öffentlichen Anerkennung. Aber jetzt ist Bewegung in die Sache gekommen: Norbert Lammert zumindest findet für den Liedermacher die Berliner Ehrenbürgerwürde „ebenso einleuchtend wie überfällig“. Hat er zumindest in der Sonntagsausgabe des Tagesspiegel geschrieben. Überhaupt fehle Berlin ein Aushängeschild à la Biermann, der „im Leben und Werk die Erfahrungen zweier Diktaturen politisch wie künstlerisch aufgearbeitet hat – ein preußischer Ikarus, gelandet im wiedervereinigten Deutschland“.
Im Berliner Abgeordnetenhaus herrscht über das Thema bisher noch keine Einigkeit. Ein entsprechender Vorschlag des CDU-Abgeordneten Uwe Lehmann-Brauns, der auch Parlamentsvizepräsident ist, wurde an die Kulturausschüsse verwiesen. FDP und Grüne unterstützen diesen Vorschlag, Vertreter der rot-roten Koalition äußerten sich bisher zurückhaltend. Da kommt der Einwurf von Lammert, der ja auch Bundestagspräsident ist, zur richtigen Zeit. In die selbe Richtung hatte zuvor Bundespräsident Horst Köhler gearbeitet, als er Biermann Mitte November „in Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen besonderen Verdienste“ mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichnete. So ein Kreuz, ach, es würde manchem Bürger schwer wiegen an der Brust. Nicht so bei Biermann: Eine Ehrung mehr, die steckt der locker weg, die geht für ihn immer.