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unterm strich

Auch hier sei global berichtet: Aus San Francisco, wo das Tanzstudio verschwinden musste, weil eine neue Dot.com-Firma mehr Miete zahlen konnte. Das ist eine Geschichte, die sich dort immer häufiger wiederholt und Maler, unabhängige Filmemacher, Tänzer und Bildhauer aus ihren billigen Quartieren vertreibt.

Die amerikanische Kunstszene leidet unter dem wirtschaftlichen Aufschwung und den Hipstern der Neuen Ökonomie. Doch nun scheinen sich die Turnschuhunternehmer eines Besseren zu besinnen und wollen ihre Dot.com-Dollars und Not leidende Künstler zusammenbringen. Seit drei Monaten gibt es in San Francisco den neuen Start-up www.idealive.com, der Künstlern helfen will, an Geld zu kommen und der inzwischen auch schon eine Filmfinanzierung auf die Beine gestellt hat.

Selbst wenn keiner der Geldgeber glaubt, dass Kunst der nächste heiße Anlagemarkt ist, soll es hier nicht um Mäzenatentum gehen, sondern um Investitionen. Wobei die Liebhaberei, die ruhig mitspielen soll, Verluste verschmerzen lässt. Jamie Zawinski, ehemals Programmierer bei Netscape, investierte in einen Club in Downtown San Francisco, den er in ein neues Mekka für lokale Bands und Videofilmer verwandeln will.

Natürlich hat auch idealive einen so genannten CEO (chief executive officer), Ze’ev Rozov, der erklärt, dass seine Firma das Internet für mehr Nischeninhalt nutzt. In so einer Nische sitzt neben Vivendo de Pao, Grammy-Nominee Patrice Rushen und der Band Bluemeadow etwa Tor Hyams, ein Jazz-Funk-Veteran, der für sein nächstes Album Geld braucht. Bei der Plattenindustrie hat er keine Chance, die Bank gibt ihm auch keinen Kredit, also gibt er nun Aktien auf das Album aus. Auf der Website kann man alles über seinen Hintergrund erfahren, seine früheren Platten anhören und seine Projektplanung einsehen. Sollten wir eigentlich nicht schleunigst Aktien auf die taz bei idealive platzieren?

Johnny Cash hat andere Sorgen. Er will nie mehr auf einer Bühne stehen. „Ich hatte das 43 Jahre lang. Das ist genug. Ich verwende meine Energie jetzt darauf, CDs aufzunehmen, solange ich kann“, sagte der amerikanische 68-jährige Countrysänger dem Rolling Stone. Cash braucht dazu natürlich keine Idealive-Anschubfinanzierung, aber vielleicht sollte er Investor werden. Zuletzt war er schwer erkrankt: „Ich hatte zwei Lungenentzündungen und bin erst seit Mitte Mai wieder gesund. Ich war fast tot, aber Gott wollte, dass ich lebe.“ Vielleicht wollte ihn Gott auf der Bühne sehen?

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