unterm strich:
So einfach kann man es sich machen mit der eigenen Poetik: „Schreiben ist wie Liebe machen. Nicht der Orgasmus ist wichtig, sondern der Weg dorthin.“ So steht es auf der Internetseite der chilenischen Schriftstellerin Isabel Allende, die heute ihren sechzigsten Geburtstag feiert. Die „Geschichtenjägerin“, wie sie sich selbst einmal nannte, wurde international berühmt mit ihrer 1982 veröffentlichten Familiensaga „La Casa de los Espíritus“, die 1984 auf deutsch erschien („Das Geisterhaus“). Seither gehört Allende – eine Nichte des 1973 ermordeten Präsidenten Salvador Allendes – zum Kreis der internationalen Bestsellerautoren. Etwa 35 Millionen Exemplare hat sie bisher weltweit verkauft, davon 6,2 Millionen allein in Deutschland. Der Erfolg macht sie zu einer der bekanntesten südamerikanischen Autorinnen.
Ende August soll in Deutschland ihr neuestes Buch „Die Stadt der Ungeheuer“ („La ciudad de las bestias“) in einer Übersetzung von Svenja Becker in die Buchhandlungen kommen. Das Buch ist das erste einer geplanten Trilogie für Kinder ab elf Jahren. Der zweite Band soll im Himalaja und der dritte an einem noch unbekannten Ort angesiedelt sein.
Trotz des Erfolges ist Allendes Qualität als Schriftstellerin umstritten. So warf ihr der mexikanische Nachwuchsautor Vicente Herrasti vor kurzem zu Recht vor, den von Gabriel García Márquez geprägten Stil des magischen Realismus nachgeahmt zu haben. Obwohl „Von Liebe und Schatten“ (1986) ebenfalls ein Bestseller wurde, sprach ein Kritiker damals von einem „Trivialroman bescheidenen Zuschnitts“. Auch die 1990 veröffentlichten „Geschichten der Eva Luna“ fielen bei einigen Kritikern durch. In ihnen triumphiere nur noch „triefende Seichtheit“. Und tatsächlich trägt Allendes Erfolg dazu bei, den Blick auf die lateinamerikanische Literatur zu verstellen: Wo man sich immer neue Varianten von Schmökern erwartet, die mit erotisch aufgeladenen Versatzstücken des magischen Realismus hantieren, haben es sprachlich anspruchsvolle Texte jüngerer Autoren nicht eben leicht.
Am schärfsten geht ihr Landsmann und Kollege Roberto Bolaño („Die Naziliteratur in Amerika“, „Stern in der Ferne“) mit ihr ins Gericht. „Ich halte sie für eine schlechte Schriftstellerin … Ich glaube nicht einmal, dass sie eine Schriftstellerin ist, eher eine Schreiberin“, zitierte ihn die Zeitung La Tercera. Er sei dagegen, Allende nur wegen hoher Auflagen den diesjährigen Nationalen Literaturpreis Chiles zu verleihen. „Das wäre ja so, als ob wir die Hitparade mit der Literatur verwechselten“, wetterte der Schriftsteller.
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