trittbrettfahrer : Kein Zweifel im Programm
Wenn, wie nach dem Amoklauf von Winnenden, Trittbrettfahrerei zur Epidemie wird, müssen Medien über die Folgevergehen berichten. Die Öffentlichkeit ist betroffen. Sie hat ein Recht auf Information. Auch dass dabei ein – in vielerlei Hinsicht untypischer – Einzelfall wie in Delmenhorst allein aus formalen Gründen besonders ins Visier rückt, lässt sich kaum vermeiden. Schon der Charakter der Taten aber verbietet Empörung und verpflichtet zur Reflexion.
KOMMENTAR VON BENNO SCHIRRMEISTER
Denn Trittbrettfahrerei ist eine Art Resonanzphänomen. Und dass Medien an der Resonanz einer Bluttat wie in Winnenden Anteil haben, ist selbstverständlich. Also wäre, im Zuge einer Berichterstattung über die Flut der Amok-Drohungen, die eigene Rolle – ach meine Güte, nicht mal zu ergründen. Aber wenigstens in Frage zu stellen.
Die Bereitschaft dazu ist gering: Es läuft das alte Programm und es gilt das Gesetz des eigenen Mediums: Zeitung braucht Fotos, TV bewegte Bilder, gerne auch unkenntlich. Wem damit gedient wäre, das verpixelte heulende Elend auf der Anklagebank zu zeigen, oder welches Informationsbedürfnis befriedigt würde – besser nicht fragen. Weil: dann könnt’s einen mit Wucht darauf stoßen, dass das journalistische Empathie-Defizit viel mit den Aggressionen zu tun hat, die sich in Droh-Mails aussprechen. Und in Bluttaten.