tonspur : Shoppen und Sterben
Es gibt ja Tätigkeiten, um die beneide ich die Menschen kein bisschen. Früh aufstehen, zum Beispiel. Zur Arbeit gehen, uuuhhh. Lieber stehe ich gemütlich den ganzen Tag im Regal rum. Und eine ganz schlimme Vorstellung für mich alte Röhre: Einkaufen! Wie man sich so durch die Gänge schiebt beziehungsweise schieben lassen muss, um dann endlich an einer langen Schlange an der Kasse anzustehen – nein danke, eine unangenehme Vorstellung. Zum Glück müssen Radioapparate nicht einkaufen. Und wahrscheinlich war die österreichische Autorin Marlene Streeruwitz in ihrem früheren Leben mal ein Radio und hat ähnlich gedacht wie ich. Deshalb hat sie ein Shopping-Hörspiel erdacht, ein persönliches Einkaufsdrama ist daraus entstanden.
Denn die Einkaufsliste ist lang. Wenn die erwachsenen Söhne mit ihren Freundinnen zu Besuch kommen, kauft die Frau immer zu viel ein, das weiß sie selbst. Doch ein voller Einkaufswagen ist besser als ein leerer, da sieht doch jeder, dass man für viele sorgt und nicht allein ist. Nur Robert, ihr Ehemann, der braucht bloß ein Butterbrot zum Frühstück, jeden Morgen Butterbrot.
Frau Streeruwitz schickt die Frau (Renate Schröter) ohne Namen in den Supermarkt – und sofort wird der kommerzielle zum existenziellen Parcours. Ihr innerer Monolog über Kartoffelsalat und Bananen mündet nahtlos in ihre Ehe, ins Muttersein und die Liebe. „Dann haben Seitensprünge ja einen Sinn, wenn man gute Rezepte mit nach Hause bringt. Wenigstens.“ Zwischen Brie und Baguette sinniert sie darüber, wie ein Leben mit einem anderen Mann – vielleicht mit dem Nachbarn (Christian Brückner), dem sie zwischen den Regalen immer wieder begegnet – gewesen wäre. „Haben Sie auch manchmal den Wunsch wegzugehen?“ Die Frage des Mannes bleibt unbeantwortet. „Supermarkt“, in der Regie der Autorin, ist eine furiose Stimmen- und Geräuschcollage. Kaufhausmusik und Walzerklänge, das Scheppern der Produkte im Einkaufswagen, Plastikgeraschel, Kassengeklingel – und die penetranten Werbedurchsagen: „Frischefasanenbrustnur neunneunundneunzigheute im Angebot.“ Die Gedanken und Gespräche der Frau und des Nachbarn werden nicht chronologisch, sondern in rhythmischen Wiederholungen inszeniert. Alles fängt immer wieder von vorn an – die Ängste, die Hoffnungen, das Butterbrot. Marlene Streeruwitz gibt dem Einkaufen einen ursprünglichen Sinn zurück: Be-Sorgung machen. Und am Ende, da gehen Frau und Nachbar einen Kaffee trinken, der sie zumindest von dem ewigen Einkaufsrundgang erlöst. Vielleicht auch vom Leben („Supermarkt“, Samstag, 20.05 Uhr, DLF).
Erlöst vom Leben? Ob das wohl sein kann? Fragen kann man ihn leider nicht mehr. Kurt Cobain, Sänger, Gitarrist und überhaupt Kopf der Grunge-Band Nirvana hat sich am 8. April 1994 in seinem Haus in Seattle erschossen. 27 Jahre war er alt, heroinabhängig, magenkrank und leidend an der Welt, vor allem an den Musikjournalisten, die behaupteten, er könne mit seinem Erfolg und Ruhm nicht umgehen. Hörspiel- und Theaterautor Edgar Lipki hat sich dem genialen Musiker Cobain auf eigene Art genähert und eine 50-Minuten-Soundstory produziert, in denen Tagebucheinträge des Künstlers, Textpassagen aus Nirvana-Songs und Gitarreninfernos gemischt werden („Cobain“, Montag, 23.05 Uhr, WDR 3 sowie Dienstag, 23.00 Uhr, Eins Live). Nur schade, dass keine original Nirvana-Stücke erklingen. Aber wozu stehen denn die Platten, hier rechts neben mir? „Here we are now, entertain us!“
Geburtstagswünsche sind noch nachzutragen: Für eine der ältesten Radiosendungen, die sich mit mir, also dem Radio bzw. den Medien an sich beschäftigen: 10 Jahre „Markt und Medien“. Weiter so! (jeden Samstag, 17.05 Uhr, DLF)
VERONA VON BLAUPUNKT
(Frequenzen: www.ukwsender.de)