taz salon : Last des Schweigens
taz-Gründerin Ute Scheub liest aus ihrem Buch „Der falsche Vater“ über ihren Nazi-Vater
„Die Last des Schweigens“ heißt das Buch, in dem der israelische Psychologen Dan Bar-On zeigt, wie die verdrängte Schuld nicht nur die Generation der NS-Täter im Griff hält, sondern auch die folgende. Viele Nazi-Väter haben sich einen Panzer aus Unnahbarkeit und emotionaler Kälte zugelegt, unter dem ihre Kinder leiden.
Der Vater von Ute Scheub war so ein verschlossener Mann, der wenig sprach und schon gar nicht über seine Vergangenheit als fanatischer Nazi. Auf dem evangelischen Kirchentag 1969 trat er nach einer Lesung von Günter Grass ans Mikrofon und sprach wirre Sätze hinein. Am Ende rief er, nicht ahnend, dass Grass im weitesten Sinne dazu gehört: „Ich grüße meine Kameraden von der SS“ – und nahm eine tödliche Dosis Zyankali.
Grass hat den Vorfall in seinem „Tagebuch einer Schnecke“ verarbeitet. Ute Scheub selbst, Jahrgang 1955, Mitbegründerin der taz und heute Autorin und Vordenkerin einer Frauen-Friedensbewegung, hat viel länger gebraucht, um sich an ihren Vater anzunähern. Nach 35 Jahren findet sie einen Abschiedsbrief. Mit Hilfe verstaubter Briefe und Notizen vom Dachboden hat sie seine Person rekonstruiert, die sie zu Lebzeiten gehasst hatte. „Mein Vater ist an seinem Schweigen erstickt“, fasst sie schließlich zusammen. JANK
Lesung: heute, 20 Uhr, Kulturhaus 73, Schulterblatt 73, Eintritt: 3 Euro