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Archiv-Artikel

taz-adventskalender (23): Das Dominikanerkloster in Moabit Die radikale Langsamkeit an einem stillen Nachmittag

Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere, Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.

Klostermauern haben immer ihren Reiz ausgeübt – je fremder diese Lebensform ist, umso mehr. Im „gottlosen“ und früher vor allem protestantischen Berlin wirkt das Dominikanerkloster an der Oldenburger Straße in Moabit mit seiner grau-dunkelroten Backsteinfassade neugotischen Stils fremd. Der Lärm und die Quirligkeit der Turmstraße scheinen nicht recht zu passen zu der Stille hinter den Mauern dieser religiösen Männer-WG. Wer diese Eisentür geöffnet hat und das Kloster sein Zuhause nennt, führt ein Leben ohne Partner und Familie. Da muss anderes tragen.

Jeden Morgen um 7.30 Uhr beten die Patres in der Kirche St. Paulus, integriert in das Klostergebäude, die „Laudes“, ein Wechselgebet – nur freitags kommt eine Messe dazu. Rund um den Altar der Kirche sitzen die Brüder im Chorgestühl. Sie tragen eine weiße Kutte mit schwarzem Überwurf und Kapuze. Wie weit trägt dieser alte Singsang?

Danach ein gemeinsames Frühstück im holzgetäfelten Speisesaal des Klosters, dem Refektorium. Es liegt wie die Zellen der Patres im neugotischen Trakt, nur Patres haben hier Zugang. Meist wird wenig geredet im Refektorium, die meisten blättern in Zeitungen. Männer können auch wunderbar aneinander vorbei leben. Dann geht jeder seinen Geschäften nach. Langeweile ist die Hölle, vor allem in einem Kloster.

Zu Mittag geht, wer kann und da ist, in die Kapelle, einen kleinen Raum mit Altar, einem Heiligengemälde (Maria mit Kind) und einer Bank an der Wand. Es folgt die „Sext“, wieder ein Wechselgebet. Etwa eine Viertelstunde lang. Um 12.30 Uhr gibt es wieder Essen, Mittagessen im Refektorium. Danach gehen die Patres im Stockwerk darüber ins „Recreations“-Zimmer, die gute Stube, man unterhält sich beim Kaffee, auch ein Fernseher wird ab und zu angeschaltet.

Der Nachmittag ist lang und still. Eine Standuhr tickt in den Gängen, alle Patres sind beschäftigt oder außer Haus. In der Stille, heißt es, könne man Gott finden, manchmal kann sie einen aber auch verrückt machen.

Es ist dunkel geworden, die „Vesper“ schließt sich an. Pater Thomas’ „Loriot-Couch“, auf der man früher so tief einsank, ist mittlerweile repariert. Das Ordensleben, hat er einmal gesagt, sei „prozessorientiert“, man müsse immer wieder sein „Jawort“ geben: „Sie sind nie fertig.“ Im „geschichtslosen Aktivismus“, der stets „Bewegung, Bewegung, Bewegung“ fordere, biete das Kloster Langsamkeit. Es sei „ein Ort, wo Sie Ruhe haben, damit Sie denken können“. Es ist radikal, das Klosterleben. PHILIPP GESSLER