taz Klub-Ergebnisse aus Köln, Hamburg und Berlin : Aktiv gegen Rechts
Was können wir alle langfristig tun? Hier erste Handlungsanweisungen aus den taz Klub-Diskussionen.
taz Genossenschaft | Der „taz Klub“ ist seit diesem Jahr eine deutschlandweite Veranstaltungsreihe der taz Genossenschaft. Das Besondere an dem Format ist, dass es keine Bühne nur für eingeladene Expert*innen gibt, sondern dass ein Gespräch mit allen Teilnehmenden moderiert wird. Im taz Klub geht es um Themen, die uns alle bewegen und zu denen jeder etwas zu sagen hat.
Seit der Correctiv-Recherche Anfang dieses Jahres und angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen bereiten zurzeit der Vormarsch von rechtsextremen Ideologien und Parteien große Sorgen. Entscheidend ist die Frage, wie die Zivilgesellschaft diesen antidemokratischen Kräften entgegentreten kann. Daher widmeten sich die taz Klub Veranstaltungen dem Thema #gegenrechts – Was können wir alle langfristig tun? Gemeinsam mit dem Publikum wurden konkrete Lösungsansätze diskutiert und Handlungsmöglichkeiten gesammelt, die wir hier in 15 Punkten zusammenfassen:
1. Dialoge fördern und Brücken bauen
Wenn wir uns nur mit Menschen austauschen, die unsere Meinung teilen, werden wir es nicht schaffen, Brücken zu möglichen Verbündeten zu bauen. Warum nicht mal in der Nachbarschaft zusammenkommen, um konstruktiv über Politik zu reden? Oder einen Dialog in der Feuerwehrgruppe im eigenen Ortsteil suchen? Wohlwollende Gespräche auf Augenhöhe können dazu beitragen, gemeinsame Nenner zu finden und Brücken zu bauen – auch bei bzw. trotz etwaiger Meinungsverschiedenheiten.
Potentiell hitzige Gespräche können dabei besser gelingen, wenn man sich mit der Wirkung von spalterischen Argumenten und Affektpolitik auskennt. Das Buch „Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft“ von Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser (Suhrkamp 2023) bietet hier Hilfe.
2. Den richtigen Umgang finden
Leider kommt es vor, dass wir rechte Sprüche und rassistische Meinungsäußerungen im Alltag begegnen – sei es in der eigenen Familie, im Beruf oder im Sportverein. In solchen Situationen ist es hilfreich zu wissen, wie wir angemessen auf rechtsextreme Äußerungen reagieren können. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat hierfür ein umfassendes Handbuch mit Tipps und Hilfestellungen veröffentlicht. Zusätzlich können weitere praktisch orientierte Sachbücher wie „Sag was! Radikal höflich gegen Rechtspopulismus argumentieren“ (Philipp Steffan 2019) und „Hass“ (Şeyda Kurt 2023) dabei helfen, Argumentationsstrategien zu entwickeln und das eigene Handeln zu reflektieren. Auch die DGB Jugend Niederbayern liefert mit ihrer Broschüre „Nazis hassen diesen Trick“ praktische Tipps für das Engagement gegen Rechtsextremismus im Alltag.
3. Weiterbildung und Workshops
Um vom Reden ins Handeln zu kommen, kann es helfen, in Workshops konkrete Handlungsmöglichkeiten zu erlernen. In den „Stammtischkämpfer*innen“-Seminaren des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ werden beispielsweise Situationen beleuchtet, in denen einem Stammtischparolen begegnen. Weniger wird hier der Fokus auf eine theoretische Vertiefung des Themas gelenkt, sondern vielmehr sollen Handlungsoptionen und Lösungsansätze in praktischen Übungen erarbeitet werden. Ein weiteres Beispiel ist der Verein „Gesicht zeigen!“, der mit Kampagnen, Fortbildungen, Veranstaltungen und Workshops dazu ermutigt, aktiv gegen Rassismus, Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt vorzugehen.
4. Gewerkschaftlich organisieren
Nur 13 Prozent (Stand 2021, Quelle: Politik & Kommunikation) der erwerbstätigen Deutschen sind inzwischen noch gewerkschaftlich organisiert. Dabei spielen die Gewerkschaften eine wichtige Rolle im Kampf gegen Rechtsextremismus. Sie stärken die Stimme der Arbeitnehmer*innen und setzen sich für eine gerechtere Gesellschaft ein. Die Einflussnahme der großen Gewerkschaften auf Parteiprogramme und konkrete Gesetze ist nicht zu unterschätzen. Auch du kannst dich gewerkschaftlich organisieren, der Deutsche Gewerkschaftsbund kann bei der Orientierung helfen.
5. Demonstrieren
Anfang des Jahres waren die Teilnehmer*innenzahlen an den deutschlandweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus enorm. Viele Menschen, die noch nie auf einer Demo waren, zeigten ihr Gesicht und bekannten sich zu gesellschaftlicher Vielfalt und demokratischen Werten. Es gilt jetzt, diesen sichtbaren Widerstand aufrechtzuerhalten und weiterhin auf die Straße zu gehen. Informationen darüber, ob aktuell in Deutschland Demonstrationen und Aktionen stattfinden, veröffentlichen Plattformen wie „Zusammen gegen Rechts“ und „Demokrateam“.
6. AfD-Verbot prüfen
Die Meinungen über ein mögliches Verbot der AfD gehen auseinander. Sollte man in einer Demokratie Parteien überhaupt verbieten können – oder ist das legitim, wenn es sich um Parteien mit einer anti-demokratischen und menschenverachtenden Ideologie handelt? Ganz gleich, wie das Urteil darüber ausfällt, die Prüfung eines AfD-Verbots durch das Bundesverfassungsgericht sollte unbedingt durchgeführt werden. Und genau hier setzt das Team des deutschen Anti-Fake-News-Blogs „Volksverpetzer“ mit ihrer Petition an. Sie sind der Meinung, dass eine Partei, deren Ziel es ist, die Demokratie als Staatsform abzuschaffen, auch auf demokratischer Grundlage verboten werden kann. Hier kannst du die Prüfung eines AfD-Verbots unterstützen.
7. Schulfach „Demokratie“
Aktuelle Umfragewerte zeigen, dass überraschend viele der 18- bis 34-Jährigen die AfD wählen würden. Allein diese besorgniserregende Zahl zeigt, wie wichtig frühe politische Bildung und Aufklärung sind, um populistischen und extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken. „Demokratie“ sollte als Schulfach unterrichtet werden, damit Kinder und Jugendliche die demokratischen Grundwerte von Freiheit, offener Gesellschaft und Toleranz erlernen. Petitionen können als Vorbild dienen und die Forderung nach einer entsprechenden Unterrichtseinheit im deutschen Schulsystem unterstützen. Zu einer besseren Bildungsarbeit gehört darüber hinaus die Stärkung von gesellschaftlichen Fächern überhaupt, damit der Fokus nicht nur auf die sogenannten MINT-Fächer liegt.
Eltern und im Schulwesen beschäftigte Personen können zudem fordern oder sich dafür engagieren, dass die Medienarbeit an den Schulen besser wird. Dazu gehört eine Aufklärung über seriöse und unseriöse Medien.
8. Lehrmaterialien und Aufklärung an Schulen über Rechtsextremismus
Selbst wenn die Integration des Schulfachs „Demokratie“ in der Realität nicht umsetzbar wäre, bleibt es dennoch von großer Bedeutung, dass Lehrkräfte und Schüler*innen ausreichend aufgeklärt werden. Der deutsche Bildungsserver ermöglicht es Lehrkräften und Jugendlichen, sich mit der Bereitstellung von Lehrmaterialien umfassend über das Thema Rechtsextremismus zu informieren und geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Andere Bildungsprojekte, wie das „spreuXweizen“ aus Dresden, setzen sich praktisch und spielerisch dafür ein, junge Menschen zum kritischen Nachrichtenkonsum anzuregen.
9. Vermögenssteuer
Der Anteil der Armen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, während die Reichen immer vermögender werden. Hier könnte die Einführung einer Vermögenssteuer ein geeignetes Instrument sein, um der sozioökonomischen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken und soziale Ungleichheiten zu verringern. Die Finanzierung wichtiger Grundbedürfnisse muss dringend sichergestellt werden. Parteien wie Die Linke, Die Grünen, aber auch die SPD setzen sich für die Einführung einer solchen Steuer ein, denn es müssen in Zukunft Milliardenkredite bedient werden, die in den vergangenen Jahren zur Bewältigung multipler Krisen aufgenommen wurden.
10. Mietendeckel
Die steigenden Mieten und Wohnungspreise stellen eine soziale Herausforderung dar, von der auch Rechtsextreme profitieren. Ein bundesweiter Mietendeckel und verstärkter sozialer Wohnungsbau können dazu beitragen, bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten zu sichern – und dadurch sozialen Unmut zu verringern.
11. Zur Wahl mobilisieren und die Durchführung von sicheren Wahlen unterstützen
Auch in diesem Jahr gibt es wieder viele Erstwähler*innen, die rechtzeitig zur Europawahl mobilisiert werden sollten. Dabei setzen sich Programme wie „Erstwahlprofis“ dafür ein, jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich aktiv in den demokratischen Prozess einzubringen und als Wahlhelfer*innen Verantwortung zu übernehmen. Auch Unternehmer*innen können Mitarbeiter*innen bezahlen, die als Wahlhelfer*innen die Wahlen unterstützen.
12. TikTok nicht den Rechten überlassen
Möglicherweise ist TikTok Fluch und Segen zugleich für das heutige politische Geschehen. Ein Segen, weil die Plattform einen zentralen Ort darstellt, wo junge Menschen politische Inhalte konsumieren können. Ein Fluch, weil rechte Accounts und Inhalte die Plattform dominieren. Laut einer Studie erreicht die AfD mehr als dreimal so viele Nutzer*innen wie alle anderen Parteien im Bundestag zusammen. Daher müssen wir dringend eine linke politische Präsenz auf TikTok und anderen Plattformen stärken. Accounts wie der von Bundestagsabgeordneter Heidi Reichinnek (Die Linke) und Kampagnen wie #reclaimtiktok von einer FridaysForFuture-Aktivistin zeigen bereits, dass auch progressive Botschaften erfolgreich auf TikTok verbreitet werden können.
13. Podcasts
Podcasts sind gerade bei jungen Menschen beliebt. Das Format eignet sich gut, um komplexe politische Themen aufzugreifen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Podcasts wie „Lage der Nation“ oder „Studio Kindler“ tun genau das: aufklären und informieren, teilweise kurz und knackig, teilweise in einstündigen Aufnahmen, die noch tiefer in verschiedene Themenbereiche eintauchen.
Auch die Podcast-Reihe „Bundestalk“ der taz widmet sich wöchentlich politischen Themen.
14. Demokratische Parteien, Organisationen und Genossenschaften durch Mitgliedschaft unterstützen
Die aktive Beteiligung an politischen Prozessen durch die Mitgliedschaft in demokratischen Parteien oder zivilgesellschaftlichen Organisationen ist die direkteste Art, sich demokratisch zu engagieren. In Zeiten multipler Krisen erweisen sich zudem Genossenschaften als Zukunftsmodell für soziales, nachhaltiges und werteorientiertes Wirtschaften. Neben Medien-Genossenschaften wie der taz Genossenschaft gibt es eine breite Vielfalt an überregionalen und lokalen Genossenschaften, denen man beitreten kann.
■ Haben Sie noch Punkte mit denen wir diese Liste der Handlungsmöglichkeiten gegen Rechtsextremismus und Hass ergänzen können? Schreiben Sie an geno@taz.de.