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Archiv-Artikel

taz-Adventskalender (17): Das Gatter am Traveplatz Hunde müssen draußen bleiben

Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.

Wäre es nicht kalt, grau und feucht – der Traveplatz zwischen Ostkreuz und Frankfurter Allee könnte als kleine Oase inmitten Berlins gelten. Zumindest inmitten Friedrichshains, eines der am schwersten hundebelasteten Stadtteile. Denn der Traveplatz ist offiziell der erste hundefreie Platz der Stadt. Dafür sorgen Eisengittertüren, die an nur sieben Stellen den Zugang gewähren.

Und tatsächlich: Wer es durch die Tür geschafft hat und über die Wege zwischen den Büschen, Bäumen und Wiesen streift, muss nicht permanent auf den Boden starren aus Angst, wieder einmal in Hundekot zu trampeln – ein in Berlin seltenes Gefühl von Freiheit, das schon jetzt vom nächsten Sommer träumen lässt. Dann könnten sich die Friedrichshainer auf dem frisch gesäten Rasen legen,ohne immer wieder in Hundehaufen zu treten.

Das neue Berliner Gefühl von Bewegungs- und Blickfreiheit genießt schon an diesem Wintertag eine Joggerin: Runde um Runde dreht sie auf dem mit vielleicht 50 mal 100 Metern fürs Laufen eigentlich zu kleinen Platz – aber die Aussicht, dass keine kläffenden Biester um die Waden springen, entschädigt für den begrenzten Auslauf.

Dass das Wohlbefinden der Menschen auf dem Traveplatz ausnahmsweise wichtiger ist als das der Hunde, ist aber nicht unbedingt den unscheinbaren Eingangstüren zum Platz zu verdanken. Eine Traveplatz-Tür besteht aus einigen senkrechten Eisengitterstäben, und sie lässt sich, ohne eine Klinke zu drücken, leicht aufschieben. Sogar für streunende Hunde wäre es ein Leichtes, die Pforte mit ihrem Körpergewicht zu öffnen – die Tür ist eher eine psychologische Barriere für Hundehalter. „Das Mitführen von Hunden ist untersagt“ steht groß und deutlich auf einem Schild am Eingang.

Daran scheinen sich die Hundebesitzer, sonst eine eher beratungsresistente Spezies, auch zu halten. Zwar ist an diesem trüben Winterwerktag gegen Mittag nicht viel los, aber immerhin drei Gassigeher kreuzen innerhalb einer halben Stunde auf – ohne durch die Hundetür zu gehen. Der Traveplatz bleibt trödelnden Schulkindern, der Joggerin, einer Rentnerin auf einer Bank und einer jungen Mutter mit Kinderwagen vorbehalten.

„Die Instandsetzung und Aufwertung des Traveplatzes“, die laut Informationsschild bis Ende 2004 beendet sein soll, scheint zu funktionieren. Dass eines der Hundeverbotsschilder auf dem Boden liegt, muss der frohe Besucher wohl als Überreaktion frustrierter Hundehalter hinnehmen. Auch dass auf den Bürgersteigen in direkter Umgebung des Platzes die Hundekotdichte sogar den Friedrichshainer Durchschnitt deutlich übersteigt, gehört zu den traurigen, aber letztlich verschmerzbaren Nebeneffekten der nachahmenswerten Kiezinitiative. Ständig auf den Boden starren muss man ja sowieso.

Schließlich entwickelt noch der genervteste Anwohner ein Verständnis für Hunde. Würden alle Vierbeiner des Kiezes auf den kleinen Hundeauslaufplatz in der nahen Gürtelstraße kacken – die Tiere hätten kaum noch Platz zum Tollen und zum Tosen. Und würden noch mehr ahnungslose Passanten attackieren.

RICHARD ROTHER