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Archiv-Artikel

strübel & passig Tunworte mit Sternchen

Die Smileys und Emoticons, mit denen der native Internetbewohner gern seine Rede schmückt, sind in den letzten zehn Jahren ausführlich durch die inlandsethnologischen Medienrubriken gezerrt worden. Nicht immer zeichneten sich die Autoren durch Fachkenntnis aus, aber man darf das Thema doch mittlerweile als gut dokumentiert betrachten. Nur gänzlich merkbefreite „Mein erstes Internet“-Berichte zählen noch voll kindlichen Staunens die gebräuchlichen Emoticons „Rauche Pfeife“, „Bin Atheist“ und „Finde Kühlschrankabtauen voll super“ auf. Weniger gründlich erforscht ist der komplexere stilistische und grammatische Zierrat der Onlinekommunikation.

 Am weitesten verbreitet ist sicherlich der Donaldismus oder einfache Inflektiv (*grunz*), über den an dieser Stelle bereits Thomas Pampuch berichtete. Von eloquenteren Chattern wird er gern zum erweiterten Inflektiv (*lässigabspritz*) ausgebaut, von ganz depravierten Geschöpfen zum idiotischen Inflektiv (*einmalumdenmondundzurückknuddel*). Konservativere Forscher bevorzugen den Oberbegriff „Mimikersatzschwachsinn“.

 Darüber hinaus bieten Chats schlichter Bauart zur Vermittlung von Handlungen jenseits des Sprechakts vorgefertigte Spritzgussteile wie „… knuddelt dich gaaanz lieb“, „… will mit dir über Phänomenologie diskutieren“ oder „… peitscht dich kompetent mit der Neunschwänzigen“. Technisch ausgereiftere Kommunikationsformen ermöglichen ihren Nutzern mehr Eigenbeteiligung. Mit Hilfe von /me und vergleichbaren Konstruktionen lassen sich ganze Sätze bilden, die als Handlung anstatt als wörtliche Rede ausgezeichnet werden: „billyregal zerfällt vor rührung in formaldehyd und sägespäne.“ Die Grammatikmodule der Nutzer werden im Vergleich zu komplexen Inflektivbildungen weniger strapaziert. Leider bieten viele Webchats, aber auch die Messengerdienste keine Möglichkeit, auf einfache Weise „<Name des Chatters> singt ‚Detachable Penis‘, während er dich mit der Kettensäge zerteilt“ auszudrücken.

 Aber es ist kein Code so restringiert, dass nicht doch ein paar Neophyten seine wenigen Teile falsch zusammenstecken könnten. Mailinglisten, Foren und Chats werden von widerwärtigen Mischformen invadiert: „Katzenfrau in den Chat schleicht und sich umschaut“ oder „*erst mal wieder in der Versenkung verschwindet und fleißig weiter alle Mails liest*, mit nachdenklichen Grüßen Euer Superhorst2000“. Nach der Regel „Was doof, doof, doof ist, setzt sich durch“ werden ähnlich wie das Apostroph-s eines Tages vielleicht auch diese agrammatischen Missgeburten zum legitimen Sprachgebrauch befördert. Vielleicht sind wir aber auch nur die Elterngeneration einer Pidgin-Sprache, die sich noch mühsam radebrechend verständigen muss, deren Nachfahren dem Sprachwirrwarr aber ganz von allein eine elegante Grammatik überstülpen werden. Kommende Generationen kriegen dann schon in der Grundschule beigebracht, was ein Sternchentunwort ist und dass Großbuchstaben lauter sind als kleine. Dann wird alles gut.

 Der Leser erwartet zu Recht, dass dieser Text mit einer neumodischen Konstruktion wie *zuendegeh* zu Ende geht, aber /me kann diesen selbstreferenziellen Tand nicht mehr sehen. Ein schlichtes <germanistik mode=„off“/> tut es ja auch. KATHRIN PASSIG

kathrin@kulturindustrie.com