strübel & passig : Letzte Warnung
Ein kleiner Exkurs in die wunderbare Welt der besitzanzeigenden Fürwörter, Lektion eins: ich, mir, meins. Beziehungsweise: wir, uns, unseres.
Lektion zwei: ich beziehungsweise: wir. Im Gegensatz zu „du“.
So einfach ist das. Sollte man meinen. Aber üben wir lieber noch ein bisschen in der Praxis: Mein Text. Nicht dein Text. Unsere Kolumne. Nicht deine. Unser Text auf unserer Website. Unser Text nicht auf deiner Website.
Überfordert? Haben wir uns gedacht. Anders ist es ja auch kaum zu erklären, dass unsere Texte immer wieder eins zu eins kopiert auf Webseiten auftauchen, auf denen sie nun wirklich nichts verloren haben. Wie sie dort hinkommen, können wir uns kaum erklären. Da all unsere Texte mit GPS ausgestattet sind, werden sie sich schließlich nicht verlaufen haben.
Es kommt also nur mutwilliges Textjacking in Frage. Unter Zuhilfenahme ausgefeilter Kopiermechanismen und mit entsichertem Rechner werden die Texte erst nach dem Weg gefragt und dann heimtückisch in einen weißen Pkw, Kennzeichen unbekannt, gezerrt. Durch Isolationshaft im Zwischenspeicher orientierungslos gemacht, setzt man sie schließlich an scheußlichen Orten (die Hölle, das sind immer die Websites der anderen) aus, wo sie brutalstem textuellem Missbrauch und Sklavenarbeit ausgeliefert sind. Angesichts solcher Grausamkeit werden Strübel & Passig zu Messerjocke & Blutsvente (copyright Astrid Lindgren). Denn mein beziehungsweise unser ist die Rache (Copyright Gott). Und sie wird euch nach eurer Mami winseln lassen, aber die wird eure E-Mails nicht beantworten, weil sie sich für euch schämt (Copyright wir).
Um unsere Texte aus den Klauen der Copy+Paste-Pest zu befreien, ist uns fast jedes Mittel recht: Flüche werden wir aussprechen, die den Entführern fünfstellige 01 90-Rechnungen bescheren, und wahrlich, ich sage euch: Ihre Verlobte wird den Umschlag zuerst öffnen. Voodoo-Zauber werden wir durchführen, auf dass ihre privatesten Mails durch einen falschen Tastendruck auf Mailinglisten landen, ihre Spiele vom Zoll beschlagnahmt werden und ihre T-Shirts noch heute aus der Mode kommen. Mögen ihre Packet Losses niemals unter 50 Prozent sinken, möge ihre Tastatur dauerhaft klemmen und ihr Arbeitgeber mit der gesamten Firma nach Hof umziehen. Möge schließlich all ihre Hardware dreimal kostenpflichtig eingeschickt werden müssen und beim dritten Male nicht zurückkehren. Und siehe: Erst wird es Protest regnen und dann Abmahnungen hageln. Nein, wirklich.
Der Fairness halber – und weil unsere Anwälte meinen, wir sollen – sagen wir es jetzt und hier und auch nur einmal: Künftig werden all unsere Texte am Ohr tätowiert und sind daher jederzeit und auf jeder Website sofort wiedererkennbar. Dank modernster Recherchetechnik (Internet) sind wir somit in der Lage, unsere Lieben jederzeit zu orten. Und das tun wir nicht, um ihnen Carepakete zu senden.
Gut, bis wir Ihnen die GSG-9 ins Haus schicken, dauert es ein bisschen. Aber wenn wir den Amerikanern stecken, dass Sie Massenvernichtungswaffen auf Ihren heimischen Ölquellen lagern, kann es ganz schnell ungemütlich werden. Und wir kennen Amerikaner! Im biblischen Sinne!
Sollten jedoch all diese Maßnahmen nicht greifen und auch fürderhin unsere Texte verschleppt werden wie sonnengegerbte Touristen in der algerischen Sahara, dann sehen wir uns gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Deshalb: Schluss mit dem Textjacking. Oder wir kastrieren sie alle, dann ist Schluss mit dem Streunen.
Also, die Texte jetzt, nicht die Leser.
IRA STRÜBEL