strübel & passig : Das Verbot der Veröffentlichung des Verbots
Ab 1754 erschien unter Kaiserin Maria Theresia der „Catalogus librorum prohibitorum“, eine 40-bändige Liste der in Österreich verbotenen Bücher. Schon 1777 erfreute sich dieses Verzeichnis solcher Beliebtheit, dass es seinerseits auf dem Index – also auf sich selbst – landete. Und das zweihundert Jahre vor der Erfindung des Catch 22!
Einem normalen Menschen wird schwurbelig im Kopf, wenn er länger über die Implikationen nachdenkt. Nicht so der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), die im April 2003 ein Veröffentlichungsverbot für ihre eigene „Liste indizierter Telemedien“ erlassen hat. War diese Liste bisher über das Amtliche Mitteilungsblatt der BPjM jedem Bürger zugänglich, der 33 Euro für das Jahresabo ausgeben wollte, darf sie jetzt nur noch Behörden und Herstellern von Filterprogrammen zur Verfügung gestellt werden. Schließlich enthält sie neben den üblichen Ferkelseiten auch Angebote wie jene Anleitung zur Herstellung von Katzen in Bonsaigröße, die nicht nur zahlreiche Protestschreiben merkbefreiter Katzenliebhaberinnen, sondern eben auch eine Indizierung durch die BPjM nach sich zog. Da öffentliche Werbung für indizierte Seiten mit Geldbußen im Gegenwert von 833 Jahren taz-Kolumnenschreiben belegt werden kann, verzichte ich auf die Nennung der Adresse; depravierten Personen wird eine Google-Suche nach „bonsai katzen“ weiterhelfen.
Dass diese Website auf dem Index steht, weiß ich noch aus der alten, nicht ganz so geheimen Version der Liste, aber in Zukunft wird man Zensur-Teekesselchen spielen müssen, und wie beim richtigen Teekesselchen-Spiel ist der, der es errät, dran. Das entbehrt nicht einer gewissen Logik, denn Kindern gibt man schließlich auch keine schriftliche Liste alles Verbotenen in die Hand. Man wartet ab, bis sie's tun, und langt ihnen dann eine.
Jetzt gehöre ich ja zu einer Generation, für die sich der Staat erst mal nicht per se als Verbrecherbande darstellt. Bisher war mir mein Vaterland immer als halbwegs zurechnungsfähiges erschienen. Aber was soll werden, wenn es morgen auf das Aufstellen von Parkverbotsschildern mit der Begründung verzichtet, dass die Leute sonst auf die Idee kommen könnten, dort zu parken? Und dann aber trotzdem Strafzettel austeilt? Oder etwa, wenn sich EU-Sozialkommissarin Diamantopolou mit ihrem Plan durchsetzt, „klischeehafte und entwürdigende Darstellungen“ von Frauen in Werbung und Medien zu verbieten? Und was ist, wenn dann keiner auf mich hört, wie ich mit dem Fuß aufstampfe und sage, dass ich es als entwürdigende Darstellung von Frauen empfinde, wenn EU-Kommissarinnen so einen Schmarrn daherreden?
Aber zum Glück gibt es seit wenigen Wochen BRIDGE, eine Stiftung zur Wahrung der Bürgerrechte im Internet (www.bridge-ideas.de), und dort sind 15.000 Euro für „Ideen und Vorschläge für Kampagnen oder Aktionen“ ausgeschrieben. Frl. Strübels und mein Projektkonzept sieht den Erwerb eines Taschenkalenders vor, der an die BPjM geschickt wird, so dass man dort nachsehen kann, dass wir nicht mehr das Jahr 1777 schreiben. Kostenpunkt inklusive Porto: etwa 4 Euro. Für die restlichen 14.996 Euro finden wir schon irgendeine Verwendung. Vielleicht einen Altersruhesitz mit Standleitung auf den Bahamas oder so. KATHRIN PASSIG