streit um barroso : EU-Kommission mit Handicaps
Wäre eine Ablehnung von José Barrosos Kommissionsteam durch das EU-Parlament wirklich eine Katastrophe für Europa? Aber nein. Der Portugiese könnte zwar nicht am 1. November mit der Arbeit beginnen. Sein Vorgänger Romano Prodi müsste noch ein bisschen weiterregieren, bis Barroso die Kernforderungen des Parlaments erfüllt hat. Das aber wäre durchaus in Barrosos Interesse: Er könnte dann nicht nur die Arbeitsgrundlage zwischen den beiden Institutionen für die kommenden fünf Jahre herstellen. Er würde so ganz nebenbei auch dafür sorgen, dass seine Mannschaft überhaupt arbeitsfähig wird.
KOMMENTAR VON DANIELA WEINGÄRTNER
Was Barroso gestern als Kompromiss vorlegte, zeigt zwar seine starken Nerven, sein Selbstbewusstsein und seine Überzeugung, dass dieses Parlament niemals wagen wird, ihm die Stirn zu bieten. Es ist aber nicht nur für die Sozialisten und die meisten Liberalen inakzeptabel. Und es bietet dem Kommissionspräsidenten selbst keine Basis für eine stabile und unabhängige Arbeit der EU-Exekutive.
Ein Justiz- und Innenkommissar, der in keinem heiklen Dossier handeln darf, ohne direkt dem Chef zu berichten, ist für seine Generaldirektionen schon vor Arbeitsbeginn eine Witzfigur. Eine Wettbewerbskommissarin, der ihr Verwaltungschef auf Weisung von ganz oben ständig auf die Finger schaut, damit er in Zweifelsfällen Alarm schlagen kann, ist eine lahme Ente. Sie hat weder das Stehvermögen noch den Rückhalt, den sie braucht, um sich mit Microsoft, den deutschen Landesbanken oder Coca-Cola anzulegen.
Barroso mag sich der Illusion hingeben, dass diese wirre Konstruktion von eingeschränkten Zuständigkeiten und Chefsachen seine Macht stärkt. Tatsächlich aber schwächt sie die ganze Kommission, und damit auch ihren Chef. Wenn kommenden Mittwoch nur eine hauchdünne Mehrheit diese Mannschaft bestätigen würde, wäre eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem EU-Parlament ausgeschlossen. Der mächtige Apparat der Generaldirektoren würde hinter den Kulissen Machtfelder zurückerobern, die er im Zug des Eurostat-Skandals und einer stärkeren Politisierung der Kommission verloren hatte.
Der eigentliche Gewinner wäre der Dritte im Bunde, der Rat. Die Staats- und Regierungschefs können sich gar nichts Besseres wünschen als eine Kommission mit Handicaps, die im Parlament nur auf eine bröckelige Mehrheit aus Konservativen und Euroskeptikern bauen kann.