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Archiv-Artikel

strafplanet erde: in der mördergrube meines herzens von DIETRICH ZUR NEDDEN

Nein, es waren keine Botschaften, aber es sah so aus, als ob. Hört sich albern an, doch die Wahrheit lässt sich nicht leugnen: Tag für Tag brannte sich mir der Buchstabe M in die Augen. Etliche tiefenpsychologische Flachmuster dürften existieren, die erklären, warum mein Alltag in eine Phase mit M eingedrungen war. M wie … meschugge? Die affenartig sinnigste Interpretation würde bestimmt einen Mama-Komplex anbieten, allein deshalb, weil mir das in dem Fall ödipal konnotierte Verb „eindringen“ durch den Kopf rauschte.

Das Wort Mutti stirbt aus, wie ein dpa-Artikel jüngst enthüllte, aber ob Mama oder Mutti, ich lasse sie aus dem Spiel im Gegensatz zu Eminem: „I’m sorry, Mama, I never meant to hurt you“, greint er sarkastisch, während er (ihr?) ein Grab schaufelt: „Cleaning up my closet“ will er, was aber – für die, die das Englische eher assoziativ übersetzen, sei’s besserwisserisch gesagt – wenig mit Klosett zu tun hat: Eminem räumt gründlich seinen Schrank auf, kann auch ein Geheimzimmer sein oder der Keller, wo die Leichen deponiert sind.

Zu den Fakten: Von der Litfaßsäule blickte Madonna herab, direkt daneben Marilyn Monroe wegen einer Fotoausstellung ihres „Last Sitting“. Nun wurde meine innere Kommission aktiv, die für die Liste der M-Phasen-Einträge zuständig ist: Müsse man nicht Marilyn Monroe die Aufnahme verweigern, da sie mit bürgerlichem Namen Norma Jean Baker hieß? Und ob man dann überhaupt noch von einer M-Phase sprechen könne? Was den Exitus der Kommission zur Folge gehabt hätte, den Zwang zur Selbstauflösung, dumme Sache; bis endlich einem – sorry, Ödipus – Mitglied einfiel, dass Eminem eigentlich Marshall Mathers heißt.

Restlos erübrigten sich die Turbulenzen, als ein zuerst völlig harmlos wirkender Pkw am Straßenrand parkte. „Physiotherapie für Kleintiere“ lautete der Schriftzug auf dem Karossenlack. Das drunter war dann gleichsam eine Erlösung: „Massage. Magnetfeld. Mobilisation“. Wenn das unser Meerschweinchen wüsste, es würde noch manischer am Rad drehen. Oder ist genau das sein Problem? Dass es sich für einen Hamster hält? Nicht Physio-, sondern Psychotherapie für Kleintiere müsse auf die Agenda, „aber mit Massage und Mobilisation“, ergänzte der Vorsitzende der Kommission.

Und überhaupt: Manfred Manns Konzert war nicht lange her, Marilyn Mansons Tournee angekündigt und eine Freundin, deren Vorname mit M beginnt – womit sonst? –, verwies in anderem Zusammenhang auf das Gastspiel Paul McCartneys vor ein paar Tagen. McCartney sei hassenswert, weil er, den sie in der Jugend durchaus verehrt habe, am liebsten Ringo Starr umbringen würde: „Das sieht man doch auf den ersten Blick“, erklärte sie im Brustton der Überzeugung, damit er, McCartney, endlich der letzte lebende Beatle wäre, und uns jetzt mit einer überflüssigen Tour quäle, um nicht ständig daran denken zu müssen.

Eine Boshaftigkeit, die mir fremd ist, solange ich nicht in den Keller gehe, wo das Häschen in der Mördergrube meines Herzens sitzt und schläft.