spd-leitantrag : Rezept mit Nebenwirkungen
Das Interessante an einem politischen Vorhaben ist immer das Glaubenssystem, das mitgeliefert wird. Das gilt auch für die Botschaften der politischen Gegner, auch hier wird mit ideologischen Bandagen gekämpft. Wer gewinnt, prägt die sozialpolitische Wahrnehmung der Zukunft. Genau das macht den Leitantrag des SPD-Parteivorstandes bedeutsam: Mit diesem Leitantrag wird ein Wahrnehmungsrahmen gezimmert, in dem Wichtiges verdrängt und Falsches versprochen wird.
Kommentar von BARBARA DRIBBUSCH
In dem Leitantrag wird mit den öffentlichen Finanzproblemen argumentiert, um die Kürzungen bei Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld zu rechtfertigen. Da ist was dran: Es liegt in der traurigen Logik der kollektiven Sicherung, dass das System unter Druck gerät, wenn es zu viele Leistungsempfänger gibt, wenn also der Bedarf an Unterstützung eigentlich steigt. Genau das ist gegenwärtig in Deutschland der Fall, bedingt durch Massenarbeitslosigkeit und Alterung.
Dennoch aber ist es fahrlässig, in dem Leitantrag zu versprechen, würden die Sozialkassen und das Steuersystem ein bisschen reformiert, sei das Ziel, bis zum Jahre 2010 Vollbeschäftigung zu schaffen, erreichbar. Es wirkt unglaubwürdig, einem heute 45-jährigen Langzeitarbeitslosen zu erzählen, dass er im Alter von 52 Jahren wundersamerweise wieder einen Job finden wird.
Die verlängerte Bezugsdauer für Ältere hätte zu massenhaften Frühverrentungen geführt, heißt es weiter, das müsse man jetzt unterbinden. Eine Einsparung beim Arbeitslosengeld für Ältere wird damit als sozialpolitische Steuerungsmaßnahme verkauft – auf Kosten derer, die später betroffen sind, die beispielsweise durch eine Unternehmenspleite im Alter von 54 Jahren ihren Job verlieren und dann nach einem Jahr in der Sozialhilfe landen.
Wichtig ist auch das, was in dem Leitantrag nicht erwähnt wird: eine Vermögensteuer beispielsweise. Sie zu fordern ist heute als linkspopulistisch verschrien. Immerhin aber hat der Wegfall der Vermögensteuer seit 1996 den Fiskus 4,6 Milliarden Euro jährlich gekostet. Nur zum Vergleich: Die Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe sollen 3 Milliarden Euro sparen.
Der Leitantrag gibt das sozialpolitische Zukunftsbild vor: einer Gesellschaft, in der mehr Menschen als jetzt wieder von der eigenen Erwerbsarbeit leben sollen. Der Nebeneffekt: Wer das nicht vermag, könnte sich damit noch minderwertiger fühlen als bisher. Und das sind viele.