schurians runde welten : Permafrost auf Schalke
„Jeder kann unser neues Rehabilitations-Center nutzen, ob Kassen- oder Privatpatient. Auch Spieler von anderen Vereinen.“ (Rudi Assauer)
Dass es beim Fußball nicht wirklich um Erfolg geht, ist genauso überraschend wie es wahr ist: Juventus Turin hat mir die Augen geöffnet. Der erfolgreichste Club der Welt ist zugleich ihr langweiligster. Mit Abstand. Was dazu führt, dass niemand sich mit den Italienern freut, ihnen gerne zusieht und niemand sein Geld ausgeben mag für den Meister der knappen Siege, der das System Fußball ad absurdum führt – nein, mehr noch, Juventus Turin hebelt die herrschende Wirtschaftsordnung aus. Denn wenn Erfolg dermaßen grauenhaft daherkommt wie die Team gewordene Handbremse aus dem Permafroststadion am Fuße der Alpen, warum ihn überhaupt haben wollen? Weshalb sich anstrengen, und wofür?
Ich habe das wohl schon als Zehnjähriger so gesehen: Als meine Grundschullehrerin uns damals den Auftrag gab, uns unsere Zukunft in einem kleinen Bild auszumalen, wurde daraus ein winziges Häuschen, ein Küchentisch und Fußballschuhe. Braucht es mehr um glücklich zu sein?
Dieses Mehr mit Namen Luxus erlebte ich neulich in Gelsenkirchen. Erst wurden wir im Mannschaftsbus des FC Schalke bewundert und durch die düsteren und helleren Seiten der Stadt kutschiert. Abends trafen wir uns zum Fußballgucken in der Arena auf Schalke. Das Besondere: Schalke spielte auswärts in Istanbul. Zusammen mit ein paar Kollegen blieb ich der einzige Besucher in der abnormen Veranstaltungsmaschine auf dem Berger Feld.
Also saßen wir in einer dieser Business-Logen zusammen mit Klaus Fischer, dem Schalke-Ass der Siebziger Jahre. Wir hatten dazu Tappas und Bier und konnten das Pannenspiel in der Türkei entweder drinnen am Plasmafernseher oder draußen auf dem Videowürfel unterm Stadiondach verfolgen. Dachte ich zuvor, dass es zwar eklig aber doch irgendwie nett wäre, in einem Stadion zu wohnen, wie amerikanische Milliardäre es manchmal tun, die sich nach Mitternacht einfach nur so das Flutlicht anschalten, bin ich davon weg.
Kurzundknapp: Es gibt nichts trübsinnigeres, fröstelnderes, weltverloreneres als ein modernes Fußballstadion ohne Rasen und Zuschauer. Außer – natürlich – Juventus Turin. Und einem gewissen Altfußballer dabei zusehen zu dürfen wie er das Spiel seines ehemaligen Clubs am Fernseher verfolgt und bei jeder Torchance mit zuckt.
13.11. Bonn – Wuppertal II
Weniger trist geht es da in Bonn zu. Als Antifußballstadt haben sie das noch alles vor sich. Der Sportclub ist zur Zeit Tabellenführer in der Oberliga, halten sie die Form, könnten sie nach acht Jahren wiederum in die Regionalliga aufsteigen. Was fast schon Profifußball, Arena, die große Fußballwelt ist. Dass die auch in der vierten Spielklasse aus Erfolgreichen nicht unbedingt Beliebte macht, können dann all die BSC-Sympathie-Betteleien rund um das Heimspiel gegen Wuppertal am Sonntag beweisen: 1. Die Bonner Tollitäten Prinz Rico I. und ihre Lieblichkeit, Bonna Ina I., werden den Anstoß vornehmen. 2. In der Pause spielt die Bonner Brass- und Marchingband Quer Beat. 3. Kinder und Jugendlich bis 16 Jahren erhalten zum Spiel kostenlos einen Weckmann. 4. Alle Rollstuhlfahrer haben mit einer Begleitperson freien Eintritt.