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Archiv-Artikel

schurians runde welten Meine Erbkrankheiten

„Wir spielen zur Zeit Katastrophen-Eishockey!“(Roland Schurian, EC Graz 99ers)

Bei den Recherchen für eine Fußballausstellung besuchte ein Ex-Chef von mir den FC Bayern. An der Säbener Straße traf er auf Ottmar Hitzfeld, Karl-Heinz Rummenigge, Lothar Matthäus und Stürmerlegende Gerd Müller, der sich freute, als er den Nachnamen meines damaligen Vorgesetzten hörte: „Prima, den Namen kann ich mir merken!“

Mir geht es genauso, auch ich kann mir meinen eigenen Nachnamen am besten merken. Ich stöbere ihm sogar gerne nach. Schaue, wo sich Namensvettern und Namensnichten finden. Die meisten von ihnen leben in der Steiermark. Und einige haben Meriten als Fernsehmoderatorinnen, Eishockeyspieler oder Snowboardfahrer. Nur in Sachen Fußball herrschte bislang Fehlanzeige.

Doch das Blatt hat sich gewendet: Im Nachwuchs der Sportfreunde Troisdorf zwischen Köln und Bonn schnürt ein gewisser Schurian die Schuhe. Der Jugendspieler schießt sogar so häufig Tore, dass er es bereits in die Regionalgazetten schaffte. Natürlich war ich mächtig stolz auf den rheinischen Jugendspieler, denn der Schurian-Tick in mir ist eine Erbkrankheit.

Ein Verwandter aus dem Hessischen, sonst Lehrer und Schmetterlingsfachmann, arbeitet emsig an dem perfekten Stammbaum und damit an der Legende der Familie Schurian, die sich vor Jahrzehnten mal so anhörte: Jeder Schurian in der ganzen Welt ist ein Verwandter, was für mich als Kind ein schöner Trost war. Ich fühlte mich weniger verloren, auch wenn schon damals ein leiser Zweifel nagte – es gebe da diese eine Ausnahme, diesen einsamen Fischer vom Starnberger See...

Als ich Mitte der Neunziger Jahre erstmals das World-Wide-Web durchforstete, merkte ich, dass die Familie Schurian ziemlich auf dem Holzweg war. Allein in Österreichs Südosten stieß ich auf tausende Schurians – mit allen verwandt zu sein, war wirklich kein Trost mehr.

Auch offiziell musste unsere Ahnengalerie also umgeschrieben werden. Die Steiermark wurde miteinbezogen: wir Mitteldeutschen seien halt irgendwann aus den Bergen ins Flachland gewandert. Um die Spannung zu erhalten, wird jetzt über die Herkunft unseres Namens fabuliert.

Hielten wir uns dereinst für slawische Wenden, wird es nun exotischer: Schurian verweise auf einen armenischen Wortstamm. Die Schurians habe es als Zwangsdiener im türkischen Heer nach Österreich verschlagen. 1683 lagen sie mit den Türken vor Wien und weil es ihnen gefiel, bleiben sie einfach da. Auch das eine schöne Legende mit einem winzigen Schönheitsfleck: Die Schurians gibt es seit dem Hochmittelalter in der Steiermark.

Auch der verwandte Sportsfreund im Rheinland, der erste herausragende Fußballer von uns, macht die Sache nicht leichter: Schurian benutzt er nur als Vornamen, mit Nachnamen nennt er sich Ngatse – was übrigens der 156769. gebräuchlichste Nachname Frankreichs ist. Für einen Nachkommen der verschleppten Armenier hat er eine, nun ja, recht dunkle Haut. Aber auch dafür wird sich gewiss schon bald eine wasserdichte Erklärung finden.