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Archiv-Artikel

schurians runde welten Nicht Lahm

„Wir waren von Anfang an zu spät dran und haben uns hinten ziemlich entblößt.“ (Christoph Metzelder)

Die Wahrheit liegt aufm Platz – was trifft die Lage in Nationalmannschaft und Bundesliga besser als dieser abgenudelte Fußballersatz? Vielleicht der Ausschnitt aus dem ARD-Spielkommentar zum Florenzdebakel. Es jammerte ihn ein fast niedlich enttäuschter Reinhold Beckmann. Schon beim ersten Gegentor sah der Fußball-Schimmerlos ein „Desaster“ aufziehen, wenig später knötterte er : „Dem deutschen Spiel fehlt es an Tempo. Lahm.“ Muss man mehr sagen?

Natürlich kann Nationalspieler Philipp Lahm nichts für seinen Namen und sein Tempogefühl, wie die ganze deutsche Elf nichts dafür kann, dass sie sich aus Spielern einer mittelmäßigen Liga zusammensetzen muss. Der einzige amtierende Europacupsieger in einem Weltklasseverein mit passendem Personalausweis kann mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann nicht oder umgekehrt. So bleibt Didi Hamann in Liverpool und der BRD-Elf samt dem Trainerstab nur der „Glaube“ (Klinsmann) an Teamgeist, Turniermannschaft und das Talent ihres Kapitäns. Leider kann Michael Ballack aber erst nach der WM unter Beweis stellen, ob er wirklich in einer Spitzenliga mithalten kann.

Das bundesweite Bemänteln der einheimischen Mittelmäßigkeit ist eben genauso lächerlich, nein, komisch wie seine immer albernere Präsentation im Volksfernsehen: Wenn Günter Netzer, der Altnationale und Sportrechtehändler, seine Fußballkritik wie vorgestern im glitzernden Elton-John-Outfit vorträgt, klingt sie gleich weniger garstig. Eher wie eine vorweg genommene Parodie auf den überzüchteten Weltmeisterschaftshype. Und wenn kein Fußballwunder geschieht, ist aus dem in der Vorrunde ohnehin die Luft ‘raus.

Rückblende: Warum war es wohl so verdammt schwer nach Rudi Völler einen Bundestrainer zu finden? Warum wollte sich das ausgerechnet Trainerlehrling Klinsmann antun, der als Fußballprofi seinerzeit die Ich-AG erfunden hat und noch immer als Vizepräsident einer US-Anbahnungsfirma zwischen Sportmultis und Fußballverbänden und Vereinen fungiert?

6.3. Aachen – Rostock

Mehr Freude macht da die zweite Liga. Selbst Reporter staunen immer häufiger über mitunter spannende, schnelle, taktisch kluge Matches im Unterhaus – hoffentlich auch am kommenden Montag. In Sachen Spielernamen ist Aachen sowieso ein Geheimtipp. Denn Alemannias Torwart heißt nicht Lahm, sondern Kristian Nicht, was hübschesten Wortspielereien Tür und Tor öffnet. Achtung: „Nicht weg“, „Nicht verletzt“, „Nicht gut“ oder auch „Nicht übel“.

Fotohinweis:CHRISTOPH SCHURIAN (39) ist Redaktionsleiter der taz nrw und gegen Ballbesitz. Nächste Woche: Die Beatles und der Fußball.