piwik no script img

Archiv-Artikel

schulz gets bewährung Tiere allein zu Haus

„Ick hatte den Schlüssel vergessen im Suff“, sagt Schulz. Das Dumme war, dass seine Freundin mit dem Ersatzschlüssel im Urlaub in Ungarn war und in der Wohnung die Katze Fritzchen und der Schäferhund Athos saßen. Richtig blöd war, dass der Schlüsseldienst, der zweimal kam, mehr Geld haben wollte, als Schulz hatte, und die Tiere nicht auf Rechnung befreien wollte. Der Staatsanwalt sagt nun, dass Hund und Katze deswegen vier Tage lang in der Wohnung ohne Nahrung waren, mit der Folge, „dass sie laut bellten, in Klammern Hund, und vor Schmerzen wimmerten, Komma Katze“. Er klagt vor einer Strafrichterin Vergehen gegen das Tierschutzgesetz an.

„Ick heiße Schulz“, sagt Schulz, nach seinen Personalien gefragt. Viel mehr sagt er nicht. Er weiß noch nicht einmal, warum er hier ist und dass ausgerechnet er unter all den Leuten, die per Lautsprecher in den Saal 768 des Moabiter Gerichts gerufen werden, der Angeklagte sein soll. „Die Doreen hat so ’ne Ladung bekommen, da dachte ick, ick geh ma mit.“ In der Tat hatte das Gericht vergessen, Schulz eine ordnungsgemäße Ladung zuzustellen.

Wohl aber war die Doreen geladen worden, die Freundin von Schulz. Sie sollte, wie die anderen sechs Leute im Saal, gegen Schulz aussagen. Denn nicht nur Athos und Fritzchen, der Hund und die Katze, hatten unter Schulzens „Suff“ zu leiden. Sechs Mal, sagt der Staatsanwalt, soll er Doreen geschlagen und getreten, einmal ihr eine Nagelfeile ins Bein gerammt haben. Mit Polizisten prügelte er sich, die einschritten, nachdem er Nachbarn mit zu lauter Musik beschallt hatte, einer Postbotin zertrümmerte er das Dienstfahrrad.

Nur: An die wenigsten Vorwürfe des Staatsanwaltes kann sich irgendjemand erinnern. Schulz selbst sagt der Strafrichterin abwechselnd: „Wird schon möglich sein“ und: „Keine Erinnerung“. Die Polizisten im Zeugenstand können sich bei ihren vielen Einsätzen „beim besten Willen nicht erinnern“, einer bittet flehentlich „wenigstens den Einsatzort, die Straße genau“ gesagt zu bekommen, um dann doch nur enttäuscht den Kopf zu schütteln. Doreen kann sich mit Mühe an das mit der Nagelfeile erinnern. Einige Sachen werden daraufhin eingestellt, Schulz bekommt ein Jahr und vier Monate auf Bewährung.

Vor dem Gerichtssaal berichtet Schulz fröhlich, was aus Athos und Fritzchen wurde. Die Katze ist inzwischen bei Doreens Eltern. Athos ist im Tierheim gelandet. „Der hatte ’ne Klatsche“, sagt Doreen, „hatte er aber schon vor dem Vorfall mit dem Schlüssel.“ Der Schäferhund hatte einmal in der Kneipe einem alten Mann – „ooch so eener mit über drei Promill“ – in den Kopf gebissen. Jetzt trägt der Mann eine künstliche Schädelplatte. „Der mochte keen Alkohol und keene Drogen“, sagt Schulz, „dit muss früher mal’n Polizeihund jewesen sein.“ MAREKE ADEN