schnittplatz : Gegendarstellung
Einen Porsche ins Studio fahren, um live die Fallstricke eines Reifenwechsels zu demonstrieren. Mit Lego-Figuren die griechische Mythologie illustrieren. Eine ganze Sendung in französischer Sprache abhalten, obwohl man ihrer nicht mächtig ist. Für Harald Schmidt, den Doyen unkonventioneller Fernsehunterhaltung, fängt der Spaß dort an, wo die Kernkompetenz aufhört. Dann geschieht Verblüffendes, Unerwartetes – und dafür wird er geliebt.
In der ersten Sendung seit der Weihnachtspause also wieder ein irritierender Moment: Während Schmidt gemütlich ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte verzehrte, murmelte er vollen Mundes: „Und jetzt kommt noch das hier!“; und „das hier“ war eine Assistentin vor ordnerschwerem Hintergrund, die spröde und offiziös von einem Blatt ablas: „Gegendarstellung …“
Und dann deklamierte die Dame tatsächlich und in voller Länge die Erklärung einer New-Economy-Firma, von der Schmidt in einer früheren Sendung behauptet hatte, es gäbe sie nicht mehr. Das Unternehmen hatte Schmidts Scherz als geschäftsschädigend aufgefasst und juristisch eine Gegendarstellung erwirkt. Eine echte Gegendarstellung! Nicht an entlegenem Ort auf Zeitungsseiten versteckt, nicht am Ende der „Tagesthemen“, wie es in seltenen Fällen auch schon vorgekommen ist – sondern bei Harald Schmidt. Ein Präzendenzfall.
Weder die Produktionsfirma Bonito noch Schmidts persönliche Managerin mochten den Vorfall kommentieren, fest steht nur: Das Ding war echt, ausgestrahlt auf Betreiben der betroffenen Firma. Was natürlich die Erwartungshaltung des Schmidtguckers auf kuriose Weise unterlief. War man doch geneigt, den ernsten Beitrag als Satire zu verstehen. Als alles vorbei war, sahen wir Harald Schmidt wieder mit leerem Blick Torte verzehren, kommentarlos, stumm.
Redaktionen steht es unter gewissen Umständen frei, die Gegendarstellung mit einem so genannten „Redaktionsschwanz“ zu kommentieren – natürlich im Sinn des Blattes. Es spricht für Schmidt, dass er von diesem Recht auf subtile Weise Gebrauch gemacht hat – indem er nämlich darauf verzichtete. Kein maliziöser Kommentar, sondern einfach nur dieser leere Blick. Großes Fernsehen. FRA