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Archiv-Artikel

rudolf hickel, linker wirtschaftsprofessor Ein Abschied auf Raten

Der Satz klingt wie eine Drohung, für manche zumindest: Rudolf Hickel hat jetzt mehr Zeit als früher. Gestern hielt der Wirtschaftsprofessor seine letzte Vorlesung an der Bremer Uni, Thema: Finanzpolitik, Schwerpunkt: Unternehmenssteuerreform. Studierende ausbilden wird er also nicht mehr, aber zur Ruhe setzt sich einer wie Hickel nicht. Sein Institut für Arbeit und Wirtschaft darf er noch zwei Jahre leiten, das hat er ausgehandelt. Und ein Leben ohne Professur kann er sich „gar nicht mehr vorstellen“.

1971 kam er nach Bremen, auf einen Lehrstuhl für Politische Ökonomie. Und allen Angeboten, etwas anderes zu werden als ein Professor in Bremen, hat er stets widerstanden. Wollte weder an eine andere Hochschule noch in die Politik. Zuletzt war er als Spitzenkandidat der Linken für die Bürgerschaftswahl im Gespräch. Auch der SPD ist er nicht ganz abgeneigt – wenn sie sich denn für eine „Millionärssteuer“ stark macht, für staatliche Investitionsprogramme, für den Erhalt der Selbständigkeit des kleinsten Bundeslandes. „Ich genieße es, mit Sachverstand an der wirtschaftspolitischen Diskussion teilzunehmen – aber nicht als Parteipolitiker.“

Und Teil am öffentlichen und medialen Leben nimmt er sehr rege. Die Zahl seiner Publikationen ist unüberschaubar, ebenso jene seiner Interviews. Die wirft ihm mancher vor. „Es ist die Pflicht der Professoren“, sagt Hickel dann, „ihr Wissen an die Gesellschaft zurückzugeben.“

Dabei vertritt er eine klare Botschaft: „Schlechte Wirtschaftspolitik ist neoliberal, gute ist links.“ Und die verlasse sich nicht allein auf die „zutiefst unsozialen“ Gesetze des Marktes. „Umweltschutz, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und soziale Gerechtigkeit liegen nicht in der Logik des Kapitalismus.“

Hickel ist ein Kind der 68er-Bewegung – aber eines, das Marx immer noch „genial“ findet, und auch John Maynard Keynes, den Vordenker einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik. Die eigene Zunft hingegen findet er „trostlos“. Kein Wunder, dass Hickel stolz darauf ist, in Bremen dabei gewesen zu sein, als die Uni noch „rote Kaderschmiede“ war. Dass die jetzt passé ist, an ihm hat es nicht gelegen. Jan Zier