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Archiv-Artikel

pressschlag Nirgendwo weißer Rauch

Der DFB findet auch auf seiner Krisensitzung keinen neuen Rudi. Dafür wird es nun eng für den DFB-Despoten Mayer-Vorfelder

Es hätte alles so einfach sein können. Die alten Herren wären gemütlich zusammengesessen, hätten ein bisschen miteinander geplaudert, dabei das ein oder andere Gläschen Wein geleert, und irgendwann gegen später wäre einer aufgestanden und hätte die Wahlzettel, mit denen sie den Retter für das am Boden liegende Land bestimmt hatten, in den offenen Kamin gelegt, auf dass weißer Rauch aufsteige aus dem Schornstein und ganz Fußballland erfahre: Hurra, wir haben endlich einen neuen Rudi.

Ach ja, es hätte so wunderbar werden können am späten Montagabend in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise, wo der Deutsche Fußball-Bund sein Zuhause hat. Und dann ist es doch ganz anders gekommen, weil die alten Herren vom DFB auf ihrer außerordentlichen Präsidiumssitzung eben nicht nett miteinander umgegangen sind, sondern „intensiv über die unterschiedlichen Positionen in der Frage der Führung des Verbandes diskutiert“ haben, wie anschließend bekannt gegeben wurde. Was nichts anderes heißt als: Die DFB-Granden haben sich mächtig gezofft hinter den verschlossenen Türen. Und auch von weißem Rauch war anschließend weit und breit nichts zu sehen – statt eines neuen Bundestrainers wurde eine vierköpfige Bundestrainer-Findungskommission ins Leben gerufen.

Im Prinzip ist also auch nach der Frankfurter Krisensitzung alles beim Alten geblieben, nur dass man jetzt ein bisschen klarer sieht, weil die Fronten sich doch weitgehend geklärt haben. Und müsste man darüber einen Bericht abgeben, einen Frontbericht also, dann ging der so: Gerhard Mayer-Vorfelder, der Boss, ist mächtig am Wanken (woran ausnahmsweise nicht der Trollingerkonsum Schuld trägt), sondern „sein Führungsstil“, der „nicht der ist, der in einem demokratisch ehrenamtlich geprägten Verband überall auf Freude stößt“. Festgestellt hat das Theo Zwanziger, der DFB-Schatzmeister und Vizepräsident, bekannt gegeben hat der 59-Jährige deshalb gleich obendrein, MV beerben zu wollen – und zwar auf dem DFB-Bundestag im Oktober in Osnabrück. „Ich kann und will mich dem Wunsch vieler Mitglieder, die mich zu der Kandidatur aufgefordert haben, nicht verschließen. Mein erklärtes Ziel ist es, in der Zukunft einen veränderten Führungsstil innerhalb des DFB anzustreben“, ließ der Jurist aus Altendiez gestern in einer ersten Wahlkampfrede wissen.

Das klingt gefährlich für den selbstherrlichen DFB-Despoten Mayer-Vorfelder. Er mag seinen bisherigen Vize Zwanziger nun als falschen Fünfziger empfinden, bekannt ist, dass der Schatzmeister eine ziemlich satte Hausmacht hinter sich weiß. Bei der Präsidentenwahl im Oktober haben die Landesverbände mit 130 Stimmen das größte Gewicht – gerade aus ihrer Mitte war zuletzt die lauteste Kritik an Mayer-Vorfelder laut geworden. Für den Amtsinhaber hingegen spricht ein Großteil der Bundesliga, allen voran die Bayern-Fraktion. „Diejenigen, die was zu sagen haben, die haben mit ihm kein Problem“, sagt beispielsweise der Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge.

Fest steht: Erst mal hat MV nicht mehr so viel zu sagen. Aus der „alleinigen Chefsache“ Bundestrainersuche ist jedenfalls ein vierköpfiger Zirkel geworden, dem neben MV auch Generalsekretär Horst R. Schmidt, Liga-Präsident Werner Hackmann sowie der Kaiser himself angehören. In den nächsten zwei Wochen wollen diese Herren den neuen Bundes-Rudi gefunden haben, ganz einig bei den Auswahlkriterien scheinen sie sich allerdings schon jetzt nicht zu sein. Während Mayer-Vorfelder für eine langfristige Lösung votiert, und damit für eine über die WM 2006 hinaus, kann sich Franz Beckenbauer auch ein kurzfristiges Krisenmanagement, also lediglich bis zur WM, vorstellen.

Die gehandelten Namen freilich sind die altbekannten, wobei der Grieche auf der Wunschliste mittlerweile ziemlich weit nach oben gerutscht zu seien scheint. Und ins Bild passt, dass Rehhagel gestern eilig dementierte, seinen Vertrag nicht bis 2008 verlängert zu haben, wie bereits vermeldet wurde. Eine neue Variante brachte derweil der kicker ins Spiel. Demnach könnte Rudi Völler für die nächsten beiden Länderspiele noch mal den Bundes-Rudi geben – und sich Ottmar Hitzfeld in der Zwischenzeit ausruhen, um das Amt dann doch noch zu übernehmen. Zugegeben: Diese Möglichkeit klingt abenteuerlich. Aber sie hätte jede Menge weißen Rauch verdient. FRANK KETTERER